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Zwiesprachen
"Die Kätzchen der leeren Hasel,
die hängenden"

Christian Lehnert zu Rainer Maria Rilke

„Die Gedichte von Rainer Maria Rilke sind sprachliche Tonkunst. Doch hat ihre Musikalität zugleich eine Eigenart, die ich so von keinem anderen Dichter kenne: Sie ist verwoben in dichte Bilderfolgen, und so beginnt sich das Sichtbare mit den Klängen zu regen und zu bewegen, und Rilkes Verse werden zu Tänzen. Sie erinnern die archaische Einheit, die mit dem griechischen choros im kultischen Theater gemeint war. Der Chor sang und sprach und kreiste in Reigen in eins auf der Bühne. Rilkes Versfüße tanzen in den freien Metren geschmeidig und überraschend wie die Ausdruckstänzerinnen seiner Zeit. Dabei ist es vielfach der äußerste Punkt des Lebens, die letzte Offenheit, wo es keine Sprache mehr gibt, von der her diese poetischen Energien kommen.“ So Christian Lehnert über Rainer Maria Rilke, mit dem ihn eine jahrzehntelange Auseinandersetzung verbindet. „Die Kätzchen der leeren Hasel, die hängenden“ vom Ende der zehnten Duineser Elegie werden ihm zum Eingang in die Mehrdimensionalität eines synästhetischen Lesens. Lehnert, 1969 in Dresden geboren, ist Dichter, Essayist und Theologe. Zuletzt erschienen von ihm opus 8. Im Flechtwerk, das in die Lyrik-Empfehlungen 2023 aufgenommen wurde, und Ins Innere hinaus. Von den Engeln und Mächten. Lehnert erhielt u.a. den Hölty- und den Eichendorff-Literaturpreis sowie den Deutschen Preis für Nature Writing.

Einsam steigt er dahin, in die Berge des Urleids.
Und nicht einmal sein Schritt klingt aus dem
                                                         tonlosen Los.

*

Aber erweckten sie uns, die unendlich Toten,
                                                        ein Gleichnis,
siehe, sie zeigten vielleicht auf die Kätzchen
                                                        der leeren
Hasel, die hängenden, oder
meinten den Regen, der fällt auf dunkles
                                                        Erdreich im Frühjahr. –

Und wir, die an steigendes Glück
denken, empfänden die Rührung,
die uns beinah bestürzt,
wenn ein Glückliches fällt.

Rainer Maria Rilke, Duineser Elegien (Schluss der zehnten Elegie), in: Werke. Kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Leizpig und München 1996, II: Gedichte 1920-1926, S. 234.

Zwiesprachen

"Die Kätzchen
der leeren Hasel,
die hängenden"

Christian Lehnert
zu Rainer Maria Rilke

Mittwoch, den 01.03.2023
19:00 Uhr

Lyrik-Kabinett
Amalienstr. 83a (Rückgebäude)
U3/U6 Haltestelle Universität

Eintritt: € 8 / erm. € 6
Mitglieder unseres Freundeskreises: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl