Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Langsamer träumen! denke ich und sehe /
mich nach Deckung um
Was ist /
das Gedicht? Was stellt es dar? Sagt, /
eine Tröstung aus Trauer und Zorn.
Anna Maria Carpi
„Liebe, lauter Liebe. / Und dann erträgst du sie nicht.“
Anna Maria Carpi, die vielfach ausgezeichnete Autorin aus Italien, schreibt vom gewöhnlichen Leben und seinen absurden Ritualen. In ihren Gedichten lauert eine heitere Verzweiflung: an Nicht-Orten wie Supermärkten oder Flughäfen, in den urbanen Landschaften von Mailand und Venedig, beim Abendessen in der eigenen Wohnung. Und selbst die ersehnte Liebe ist in einer Zeit, in der "niemand niemanden genügt", nichts als ein schöner Aberglaube. Ironisch blickt Carpi in dieser Auswahl ihrer besten Gedichte auch auf jene, die "an das Ewige in der Poesie" glauben. Poesie kann eine Form von Mitsprache sein, in der Hoffnung, "dass es den Tod nicht gibt / wenn man uns das Miteinanderreden nicht nimmt".
Anna Maria Carpi wurde 1939 in Mailand geboren, wo sie auch heute lebt. Sie studierte Germanistik und Slawistik in Mailand, Bonn, Mainz und Tübingen und unterrichtete deutsche Literatur an der Universität Venedig. Carpi ist u.a. Autorin von drei Romanen, einem Erzählungsband, einer Kleist-Biographie (Kleist – Ein Leben, 2011) und mehreren Gedichtbänden, darunter Compagni corpi (2004), L’asso nella neve. Poesie 1990 – 2010 (2011) und Quando avrò tempo. Poesie 2010 – 2012 (2013). Sie übersetzte u.a. Gottfried Benn sowie die Lyrik von Friedrich Nietzsche und Hans M. Enzensberger. Anna Maria Carpi wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, 2013 wurde sie in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung gewählt.
www.annamariacarpi.org
Edition Lyrik Kabinett bei Hanser
In dieser Reihe erscheinen seit 2006 zwei bis drei Lyrik-Bände pro Jahr, viele von ihnen zweisprachig. Gründungsherausgeber der Reihe sind Ursula Haeusgen, Michael Krüger und Raoul Schrott. Weiterer Herausgeber von 2016 bis 2019 war Wolfgang Matz, seit 2019 Piero Salabè. Seit 2021 sind die Herausgeber Michael Krüger, Piero Salabè und Holger Pils.
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