Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Rudolf Borchardt und Rudolf Alexander Schröder haben über fünf Jahrzehnte eine Korrespondenz geführt, deren zwei Textbände in diesem Herbst erscheinen: zweifellos eine der großen Vermessungen jener dichterischen, politischen und kulturellen Problemfelder, die die erste Jahrhunderthälfte bestimmen und eine der vielfältigsten und spannungsreichsten Korrespondenzen der europäischen Moderne. Die Skala der Themen reicht von biographischen Geständnissen über die unverblümte Einschätzung zeitgenössischer Autoren bis zu philologischen Einzelfragen aus der Tagesarbeit der Übersetzer von Homer, Vergil oder Pindar. Aber die konservative Grundhaltung beider fordert immer auch Kommentare zu Tagesereignissen zwischen Kaiserreich, Weimarer Republik und dem nationalsozialistischen Terror bis zum „Untergang der deutschen Nation“ in den Bombennächten von 1944. Während Rudolf Borchardt (1877–1945) aus italienischen Villendomizilen eine Codifizierung aller ihn beschäftigenden Fragen liefert, entfaltet Rudolf Alexander Schröder (1878-1962), der vielbeschäftigte Innenarchitekt und Teilnehmer am Literaturbetrieb der 20er und 30er Jahre, seinen ganzen Charme als improvisierender Epistolograph, boshaft oder ironisch gebrochen, und dokumentiert nach 1933 die Prinzipien eines kämpferischen evangelischen Christen im Fluchtpunkt der „inneren Emigration“ – bis der Ton ihres Austausches an Ernst und Verzweiflung zunimmt und sich bis zu Borchardts Tod im Januar 1945 das Politische nur noch in der Maske von Homer-Analysen ausspricht.
Gerhard Schuster, geb. 1956, u.a. Herausgeber von Hofmannsthal, Borchardt und Benn, leitet das von Heribert Tenschert neugegründete Rudolf-Borchardt-Archiv; als Hauptherausgeber der „Gesammelten Briefe“ gibt er Hinweise auf Zusammenhänge und Hintergründe der Korrespondenz..
Michael Krüger ist literarischer Leiter des Hanser Verlages, Herausgeber der Literaturzeitschrift “Akzente“, Mitbegründer des “Petrarca-Preises“ und vor allen Dingen selber Autor von über zehn Gedichtbänden, von Romanen und Erzählungen. 1986 erhielt er den Peter-Huchel-Preis.
Rudolf Borchardt an Rudolf Alexander Schröder
Mir Hellas, Dir Rom,
Ich Neffe, Du Ohm,
Dir Lorbeer, mir Epheu,
Du Onkel, ich Nepheu.
Rudolf Alexander Schröder an Rudolf Borchardt
Lieber Freund,
ohne die mindeste Vorbereitung
Lese ich ganz urplötzlich auf einmal in der Weserzeitung
Einen Artikel meines Neffen und sage mir (wie ältere Verwandte nun einmal sind):
Dieser Rudolf Borchardt ist doch in der Tat ein
außergewöhnlich begabtes Kind;
Aus dem sich wirklich noch etwas machen lassen sollte,
Falls er nur seine Gaben etwas zielbewußter in Anwendung bringen wollte.
......
....
„Mir Hellas, Dir Rom...“
Rudolf Borchardt
und
Rudolf Alexander Schröder
Michael Krüger und Gerhard Schuster
lesen aus dem Briefwechsel 1901-1945
(Edition Tenschert bei Hanser, 2001)
Bayerische Staatsbibliothek, Sitzungssaal
Ludwigstr.16, 1.Stock
(U 3 / U 6 Universität)
In Zusammenarbeit mit dem
Rudolf Borchardt-Archiv
und der Bayerischen Staatsbibliothek
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Eintritt: DM 10,- / DM 7,-
Mitglieder Lyrik Kabinett sowie
Freunde u. Förderer
der Bayerischen Staatsbibliothek: freier Eintritt