fallbackImageStage

Das Gedicht selbst ist das Verläßliche

„Ich gebe zu, daß ich schöne Gedichte schreiben wollte, und einige sind zu meiner größten Überraschung schön geworden,“ schreibt Born und widersetzt sich damit schon zu Lebzeiten allen Versuchen der Einordnung als politisch Engagierter, Alltagslyriker, Vertreter der sog. „Neuen Innerlichkeit“, der Naturlyrik oder der frühen Popliteratur. In einer Zeit, als der Tod der Literatur ausgerufen wurde und gleichzeitig von der Kunst zunehmend erwartet wurde, die Gesellschaft zu verbessern, begegnet Born dem „Wahnsystems Realität“, mit utopischen und gleichzeitig ganz persönlichen Gegenbildern.

Nicolas Born, 1937 in Duisburg geboren, war zunächst im Ruhrgebiet als Chemigraf tätig, bis er nach der Einladung des Literarischen Colloquiums von W. Höllerer und H. W. Richter 1963 als freier Schriftsteller nach Berlin ging. Nach seiner Abkehr von einer metaphernreichen, chiffrierten Sprache, wandte er sich in den 70er Jahren vor allem der modernen amerikanischen Lyrik zu und erreichte mit seinen Gedichten und Romanen zunehmend auch ein breiteres Publikum. Kurz vor seinem Tod im Dezember 1979 im niedersächsischen Lüchow-Dannenberg, wo er sich gegen das geplante Atommüllager von Gorleben engagierte, erschien der von V. Schlöndorff verfilmte Roman Die Fälschung.

25 Jahre nach seinem frühen Tod hat Borns Tochter Katharina die Gedichte neu herausgegeben und kommentiert. Der Band enthält Varianten und Vorformen der zumeist lange Zeit vergriffenen Gedichte und vor allem bisher unveröffentlichte, teilweise sehr frühe und fragmentarische Texte, die die Entwicklung des Lyrikers deutlich machen.

Katharina Born, geb. 1973 in Berlin, studierte Literaturwissenschaft und Geschichte in Brüssel, Washington D.C., Paris und Berlin. Sie lebt als freie Journalistin und Übersetzerin in Paris.

Frühlingsgedicht

Alle Tiere kommen aus den Fabeln zurück
Unterm Dach macht mir ein Uhu Kopfzerbrechen
Marder tanzen im Visier.
Im Apfelbaum sitzt eine Amsel, sie weiß:
dies ist ihr Jahr.
Liebe Amsel, weißt du daß du auf meinem
Apfelbaum sitzt?
Schon gut – mein Traum, in dem ich dich ansehe
ist so verzweigt wie der Apfelbaum
und du schwingst darin und die Zweige
schwingen wie Flügel.
Ich will dich nicht haben, ich will dich nur sehn
und du sollst wiederkommen jedes Jahr
mit demselben Traum.

 

 

Nicolas Born

Das Gedicht selbst ist das Verläßliche

Nicolas Born
(1937-1979):
Die Gedichte

Vorgestellt von:
Katharina Born und Michael Krüger

Dienstag­, den 12.04.2005
20:00 Uhr

Amalienstrasse 83 / Rückgebäude
(U3 / U6 Haltestelle Universität)

Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.

Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei