Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Das Kalevala, aus über 2000 Jahre alten überlieferten Liedern in Karelien gesammelt und von Elias Lönnrot zu einem großen Epos zusammengestellt, weist mehrere Schichten unterschiedlichen Alters auf und enthält Mythen- und Heldenlieder, Ritenlieder, Zaubersprüche sowie lyrische Lieder. Das dem Wortakzent folgende Kalevala-Versmaß ist ein trochäischer Vierheber. Beim Singen folgen die Verse einem Rhythmus von vier oder fünf Takten, die Melodien bewegen sich meist in einer Skala von fünf Tönen. 2009 wird der 160. Geburtstag dieses Werkes begangen.
Nicht nur im 19. Jh. stärkte das Kalevala das Selbstbewußtsein der Finnen und den Glauben an die Möglichkeiten ihrer eigenen Sprache und Kultur. Es wurde zum Nationalepos und ist heute Teil der internationalen Epenfamilie.
U.a. für Komponisten und bildende Künstler wurde es schon früh zu einer Quelle der Inspiration, bis heute beschäftigt es die zeitgenössische Kunst, vor allem in Finnland. Das Kalevala wurde in über 60 Sprachen übersetzt, häufig mehrmals.
Anneli Asplund arbeitete nach einem Studium der Folkloristik 40 Jahre als Wissenschaftlerin im renommierten Folklore-Archiv der Finnischen Literaturgesellschaft in Helsinki. Sie ist Spezialistin für finn. Volkslieder und -musik, hat Feldforschungen in Finnland, Weißmeerkarelien und Ingermanland durchgeführt und lehrte an der Sibelius-Akademie sowie der Universität Helsinki. Zahlreiche Publikationen, auch CDs, aus den verschiedenen Bereichen der Volksmusik. Kalevala-Ausstellungen in Europa, Japan und USA.
Ingrid Schellbach-Kopra war nach dem Studium der Finnougristik, Skandinavistik und Völkerkunde tätig als Dozentin in Finnland (1958-1987) und später Leiterin des Instituts für Finnougristik an der LMU – mit den Forschungsschwerpunkten Folkloristik und Lexikographie; daneben übertrug sie finnische und finnlandschwedische Lyrik ins Deutsche. 1980 erhielt sie den Staatlichen Finnischen Übersetzerpreis.
Väinämöinen drauf, der alte, übte seine Sangeskünste,
Sang die Fichte blütenwipflig, Blütenwipfel, goldne Zweige;
Hoch zum Himmel treibt der Wipfel, höher strebt er, stößt durch Wolken,
Streckt sein Laubwerk in die Lüfte, dehnt sich übern ganzen Himmel.
Seine Sangeskünste übt’ er, sang den Mond, daß mild er leuchte,
in den goldnen Fichtengipfel, sang den Bären in das Blattwerk.
Siitä vanha Väinämöinen laulelevi, taitelevi:
lauloi kuusen kukkalatvan, kukkalatvan, kultalehvän;
latvan työnti taivahalle, puhki pilvien kohotti,
lehvät ilmoille levitti, halki taivahan hajotti.
Laulelevi, taitelevi: lauloi kuun kumottamahan
kultalatva-kuusosehen, lauloi oksillen otavan.
Aus dem Kalevala; Zehnter Gesang, V. 31-42;
Übertragung von Lore und Hans Fromm
Niemals hat man je vernommen so ein süßes Spiel der Saiten, nie in diesem langen Leben, nie, solang das Mondgold leuchtet.
(44, 283-286)
Das Kalevala
Zur Aktualität des finnischen Nationalepos
Lesung (finnisch) und Vortrag von
Anneli Asplund
Rezitation der deutschen Texte: Natalie Rebele
Einführung: Ingrid Schellbach-Kopra
IBZ – Internationales Begegnungszentrum
der Wissenschaft, Amalienstr. 38
(U3/U6 Haltestelle Universität)
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Finnougristik der LMU, dem Finnland-Institut in Deutschland und der Deutsch-Finnischen Gesellschaft.