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„Dem Himmel entfallen“ Spirituelle Lyrik aus Tschechien I

Jiří Orten (eigentl. Jiří Ohrenstein), geb. 1919 in Kuttenberg, geriet 1941 in Prag unter ein deutsches Sanitätsauto und starb, nachdem man ihm als Juden die Erste Hilfe verweigert hatte. Im Oeuvre dieses Bewunderers von Rilke und Hölderlin gerinnt die Spannung zwischen jugendlichem Liebesverlangen und der Vorahnung des Todes zur erschütternden Klage an den Schöpfer. Sein Schaffen verlieh der tschechischen Nachkriegslyrik maßgebliche Impulse.

Viola Fischerová, geb. 1935, starb im November 2010 in Prag. Nach dem Studium der Bohemistik und Polonistik arbeitete sie beim Tschechischen Rundfunk, bis die Niederschlagung des Prager Frühlings sie zur Emigration zwang. Nachdem ihr poetisches Debüt von 1957 in der spätstalinistischen ČSSR nicht erscheinen konnte, verstummte sie als Dichterin für fast drei Jahrzehnte. Erst 1984 löste der Tod ihres Mannes ihr wieder die Zunge. Ihre Lyrik gewann mehrere Preise, u.a. 2006 den Dresdner Lyrikpreis.

Zbyněk Hejda, geb. 1930 in Königgrätz, studierte in Prag Philosophie und Geschichte. 1970-89 mit Publikationsverbot belegt, unterzeichnete er die Charta 77 und gab die Samizdatzeitschrift Střední Evropa (Mitteleuropa) mit heraus. Seine Lyrik konnte jahrzehntelang nur im Untergrund erscheinen; erst nach der Wende 1989 wurde er einer breiteren Öffentlichkeit als eine der führenden Stimmen der tschechischen Dichtung bekannt. Er übertrug u.a. Gedichte von Trakl und Benn ins Tschechische.

Urs Heftrich und Bettina Kaibach lehren Slavische Literaturwissenschaft an der Universität Heidelberg. Gemeinsam machten sie bislang Gedichte von ca. 50 tschechischen Lyrikern auf Deutsch zugänglich. Urs Heftrich ist Mitherausgeber der Gesammelten Werke von Vladimír Holan; Bettina Kaibach arbeitet derzeit an einer Neuübersetzung der Prosa von Isaak Babel.

Poetik

Genauer, Worte! Mag der Weg sich dehnen
dem Garten zu, der seiner harrt,
hebt an, ihr meine Gärtner, pflückt die Tränen,
die mir verdorrt sind: Äpfel, hart

noch, pflückt mir, auch ein wenig grün im Falle,
die Brust pflückt, welche Kinder tränkt,
pflückt Morgen, Frauen, Bücherduft, sie alle,
deren die Zeit mit Neid gedenkt.

Und schweigt die Liebe, täuscht rings nur Gebärde
stumm Ruhe vor: ihr Worte, weit
zum Himmel klingt und klingt herab zur Erde –
und jäh in mir. Versehrt das Leid…

Jiří Orten [1941],
übersetzt von Urs Heftrich

„Dem Himmel entfallen“
Spirituelle Lyrik aus Tschechien I

Gedichte von
Jiří Orten, Viola Fischerová
und Zbyněk Hejda


Ein Abend mit Zbyněk Hejda

Übersetzungen und Lesung von
Urs Heftrich & Bettina Kaibach

Einführung: Zuzana Jürgens

Montag­, den 21.02.2011
20:00 Uhr

Amalienstrasse 83 / Rückgebäude
(U3/U6 Haltestelle Universität)

Eintritt: €7,00 / €5,00
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei