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Die See und der Spiegel

W. H. Auden, einer jener großen Modernisten, die dem Dichten in finsteren Zeiten neue Sprachformen und Möglichkeiten erschlossen, war lebenslang ein Grenzgänger. 1907 in York, England, geboren, wird er in den ‚roten’ 30er Jahren schnell zur Leitfigur einer neuen, kritisch-engagierten Lyrikergeneration. 1939 aber wendet er sich von England und der Alten Welt entschieden ab und sucht in Amerika sowie im Christentum neue Gewißheiten. In dieser Phase des Umbruchs, mitten im Weltkrieg, entsteht 1942-44 sein dreiteiliger Zyklus The Sea and the Mirror, eine tiefgründige Sprachmeditation über Shakespeares Alterswerk Der Sturm, dessen bekannte Figuren – den Zauberer Prospero, den Luftgeist Ariel, das Naturkind Caliban – wie in einer poetischen Séance noch einmal beschworen werden, um zur Gegenwart zu sprechen.

„Das Gedicht ist als Kommentar zu Shakespeares Stück ebenso ungewöhnlich und überraschend [wie als Gedicht]. Man kann bei Auden nicht die nächste Zeile voraussehen: Brodsky hat ihn den am wenigsten vorausberechenbaren Dichter genannt und gesagt, daß man in der Musik ihn Haydn gegenüberstellen müsste. […] das ist ein so liebevoller wie genauer Vergleich […]“ (B. K. Tragelehn)

B. K. Tragelehn, geb. 1936 in Dresden, ist Schriftsteller, Regisseur und Übersetzer, war Meisterschüler bei Bert Brecht und ist mit seinen Arbeiten auf allen großen deutschen Bühnen in Ost und West präsent, 1983-86 am Staatsschaupiel München. Bei Stroemfeld/Roter Stern gibt er mit Christa Tragelehn die Reihe Alt Englisches Theater Neu heraus, in der in heuer seine Übersetzungen von Der Sturm und von Audens Die See und der Spiegel erschienen sind.

Tobias Döring lehrt Englische Literatur an der LMU München.

George Low ist seit 30 Jahren Lektor an der LMU sowie freiberuflich tätig als Lehrer, Übersetzer, Schauspieler und Rundfunkredakteur.

Sing, Ariel, sing
Sweetly, dangerously
Out of the sour
And shiftless water,
Lucidly out
Of the dozing tree,
Entrancing, rebuking
The raging heart
With a smoother song
Than this rough world,
Unfeeling god.
Sing, Ariel, sing
Lieblich und gefährlich
Aus dem bitteren
Und unbewegten Wasser
Leuchtend aus
dem verschlafenen Baum
Ergreifend und schmähend
das rasende Herz
Mit einem schmeichelnderen Lied
Als die rohe Welt,
Die Gott nicht fühlt.

W.H. Auden, Prospero aus: The Sea and the Mirror (1944), übersetzt von B. K. Tragelehn

Die See und der Spiegel

B. K. Tragelehn
präsentiert seine Übersetzung von
W. H. Audens
The Sea and the Mirror.


Moderation: Tobias Döring
Sprecher: George Low

Montag­, den 04.12.2006
20:00 Uhr

Amalienstrasse 83 / Rückgebäude
(U3/U6 Haltestelle Universität)

Eintritt: €7,00 / €5,00
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei