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Ein Besuch in der Villa Sardi

Ludwig Greve wurde 1924 in Berlin geboren, emigrierte 1939 mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Frankreich. Auf der Flucht nach Italien kamen 1944 Vater und Schwester um; seine Mutter und er überlebten. 1945 wanderte er nach Palästina aus. 1950 nach Europa zurückgekehrt, fand er eine Bleibe in Stuttgart. – So die von Greve 1991 - anläßlich des Erscheinens seines Sammelbandes - autorisierte Kurzfassung eines Lebens. - 1952 erste Begegnung mit Hap Grieshaber, im Herbst dieses Jahres Heirat mit Katja Maillard. Von 1958-88 Mitarbeiter des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, seit 1968 als Nachfolger von Paul Raabe Leiter der Bibliothek. Im Juli 1991 ertrinkt Ludwig Greve nach einem Schwächeanfall beim Schwimmen in der Nordsee vor Amrum.

Veröffentlichungen: 1961 erste Sammlung Gedichte; 1974 Bei Tag (Gedichte); 1984 Playback (Gedichte); 1991 Sie lacht und andere Gedichte, die Ausgabe „letzter Hand“, die 1992 posthum mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wird. 1994 erscheint aus dem Nachlaß das autobiographische Fragment Wo gehörte ich hin? Geschichte einer Jugend“ und 2001 folgt nun die Sammlung seiner kleinen Prosastücke Ein Besuch in der Villa Sardi. Porträts-Gedenkblätter-Reden, die die zweite Hälfte der Autobiographie ersetzen muß.

Ludwig Greve hat in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts noch einmal ein Dichterleben geführt, als gäbe es nicht Neugier und Kahlfraß des Literaturbetriebs: unauffällig und widerständig, von wenigen erkannt, oft übergangen und doch als Stimme irgendwie vorhanden. Er hatte Freunde, es gab eine unterschwellige Wirkung. Als der S.Fischer Verlag 1991 unter dem Titel „Sie lacht“ die Gedichte noch einmal herausbrachte, die 40 Stück, die er gelten ließ ... ereilte ihn der Ruhm. Er hat es noch erlebt, bevor er im Sommer des gleichen Jahres vor der Nordseeinsel Amrum ertrank... (Uwe Pörksen, FAZ 15.3.1994)

SIE LACHT
 

Solche Nachmittage im Kino; heiser

brach Musik aus, wenn man danach vom Dunkeln

taumelnd an die Dämmerung trat ... Es riecht noch immer nach Mänteln
 

 

In der Gruft, wo Ruhm und Gefahren scheinen

anderen Jungen. Mitten am Tag, was sucht hier

unsereins? Zwei Klappsitze Ruhe und von andern ein Schauspiel,
 

 

nichts von dem, was uns wie im Halbschlaf fesselt.

Diese Falte hier, wenn du lächelst, merkte

Spott an, flüchtig; aber im Dunkeln trägst du noch, wie dein Vater,
 

 

dich gemalt hat, ohne ein Lächeln, horchend,

fast den Mund. Vorhin, als wir in der Reihe

draußen standen, sah ich mich um und konnte erst an der Blässe


 

dein Gesicht erkennen; da war ein Hof um

dich von meinem Schrecken. Die Frau sah müde

aus, Geschöpf und Dienerin; hohe Backenknochen beharrten
 

 

auf der Spannung, wo dich der Mund sonst weich fand,

zwischen Ohr und Kinn. Dann Musik, die Reihe

schob sich vorwärts, Stufen, der Saal, wie unterirdisch beleuchtet,
 

 

nahm uns auf. Da stolpert zu Herzen Chaplin,

der’s im Durcheinander so gut meint ... lachst Du?

..... 

 

                            &nbsp                                &nbsp                Ludwig Greve

 

„Ein Besuch in der Villa Sardi“

Für Ludwig Greve

1924-1991

 

Uwe Pörksen (Freiburg)

Jörg Drews (München u. Bielefeld)

Thomas Poiss (Berlin)

 

lesen Lyrik und Prosa von Ludwig Greve

und sprechen über Person und Werk heute.

 

Freitag­, den 30.11.2001
20:00 Uhr

Bayerische Staatsbibliothek, Sitzungssaal

Ludwigstr.16, 1.Stock, links

(U 3 / U 6 Universität)

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek
und mit freundlicher Unterstützung
des Kulturreferats/Literatur

Eintritt: DM 10,- / DM 7,-
Mitglieder Lyrik Kabinett sowie
Freunde u. Förderer
der Bayerischen Staatsbibliothek: freier Eintritt