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Einst bleibt von mir nur noch die Stimme

Kuno Raeber, geb. 1922 in Klingnau (Aargau), wuchs in einer angesehenen Bürgerfamilie im katholischen Luzern auf. 1945 trat er ein Noviziat bei den Jesuiten an, das er jedoch nach zwei Monaten abbrach. 1950 schloß er ein Studium der Geschichte, Literaturwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte mit der Dissertation über die Geschichtsbibel des Humanisten Sebastian Franck ab. Anschließend war er für verschiedene akademische Institutionen tätig, heiratete und gründete eine Familie. 1958 gab er seinen Historiker-Beruf auf, verließ seine Familie zugunsten seiner homoerotischen Neigung und zog nach München-Schwabing, wo er nahezu 35 Jahre für sein literarisches Werk lebte. Er starb 1992 in Basel.

Raebers Werk umfaßt sechs Gedichtbände, fünf Romane sowie kürzere Erzählungen und dramatische Texte. Seit diesem Jahr 2002, in das Raebers 80ster Geburtstag gefallen wäre, erscheint im Verlag Nagel & Kimche seine fünfbändige Werkausgabe, herausgegeben von Christiane Wyrwa und Mathias Klein, die sich seit Jahren mit dem Autor beschäftigen.

Ein zentraler Schlüssel für den Zugang zu Raebers Werk kann im Werk H. von Hofmannsthals gefunden werden, an dessen Rede Der Dichter und diese Zeit (1906) Raebers 1973 erschienener Roman Alexius oder Geständnisse vor einer Katze anknüpft. Für Raebers Sprach- und Subjektskonzeption bildet Hofmannsthals Lord Chandos-Brief einen entscheidenden Ansatzpunkt.

„Das Kunstwerk, und zwar nicht bloß als eine einzelne momentane Äußerung, sondern als eine durchgebildete Welt, als Entwurf einer Gegenwelt, ist für mich an die Stelle der Kirche getreten [...] so enthält heute die Kunstwelt, Wortwelt, die ich errichte, alles in sich. Alles bezieht sich für mich immer mehr, immer entschiedener darauf. Es ist für mich nichts weniger als dieses enorme Gedicht, dieses Wortgebirge, dieses totale Buch, das ich zu verfertigen suche. [...] Diese unbedingte und universale Totalität wider alle Vernunft.„ (Kuno Raeber)

 

Zikade


Einst bleibt

von mir nur noch die Stimme.

Du wirst mich in allen

Zimmern suchen,

auf den Treppen, in den langen

Fluren, in den Gärten,

du wirst mich suchen im Keller,

du wirst mich suchen unter den Treppen.

Einst wirst du mich suchen.

Und überall wirst du nur meine Stimme

hören, meine hoch monoton

singende Stimme. Überall wird

sie dich treffen, überall

wird sie dich foppen, in allen

Zimmern, auf den Treppen, in den langen

Fluren, in den Gärten, im Keller,

unter den Treppen. Einst

wirst Du mich suchen. Einst

bleibt von mir nur noch die Stimme.

Kuno Raeber, aus „Flußufer“.

Hamburg Claasen 1963.

„Einst bleibt von mir nur noch die Stimme“

Kuno Raeber (1922-1992):

Die Gedichte


Vorgestellt von :

Christiane Wyrwa und Mathias Klein

Die Gedichte liest:

Joachim Höppner


Mit Bild- und Tondokumenten zu Kuno Raeber

Montag­, den 28.10.2002
20:00 Uhr

Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.

(U 3 / U 6 Universität)

 

Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.

Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei