Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Nach Rilke hat wohl kein zweiter deutschsprachiger Dichtersich auf vergleichbare Weise Rußland verbunden gefühlt wie Paul Celan. Ähnlich wie bei Rilke führt die tief empfundene Wesensverwandtschaft mit der russischen Dichtung zu einer zwar kurzen, jedoch bemerkenswert intensiven Auseinandersetzung mit Russischem, auf deren Höhepunkt Celan sich selbst als einen “russkij poėt”, einen russischen Poeten bezeichnet. Dieses Bekenntnis findet sich mehrfach in Briefen, die er um 1960 an verschiedene Freunde sendet. Es findet sich verschlüsselt aber auch in zahlreichen seiner zur selben Zeit entstehenden Gedichte und poetologischen Äußerungen.
Celan’s Beschäftigung mit russischer Literatur führt weit über das Übersetzen hinaus. Sie betraf ihn in einer Krisensituation seines Lebens, sie führte ihn in Gedanken zurück an den Ort seiner Herkunft und sie half ihm seine gegenwärtige Position als Dichter im Exil zu bestimmen.
(Christine Ivanović)
Christine Ivanović, Erlangen, hat über “Dichtung und Poetik Celan’s im Kontext seiner russischen Lektüren” promoviert und für den russischen Teil von Celan’s Bibliothek ein ausführliches, kommentiertes Verzeichnis erstellt.
Ralph Dutli hat im vergangenen Herbst seine Übersetzungen von Ossip Mandelstam und Marina Zwetajewa im Lyrik Kabinett vorgestellt. Als junger Mann wurde er durch ein dünnes Fischer-Taschenbuch in den Bannkreis der russischen Lyrik gezogen: durch Paul Celan’s Drei russische Dichter von 1963.
nach Rußland steigt dir ins Herz,
die karelische Birke
hat
gewartet,
der Name Ossip kommt auf dich zu, du erzählst ihm,
was er schon weiß, er nimmt es, er nimmt es dir ab, mit Händen,
du löst ihm den Arm von der Schulter, den rechten, den linken,
du heftest die deinen an ihre Stelle, mit Händen, mit Fingern,
mit Linien,
was abriß, wächst wieder zusammen -
da hast du sie, da nimm sie dir, da hast du alle beide,
den Namen, den Namen, die Hand, die Hand,
da nimm sie dir zum Unterpfand,
er nimmt auch das, und du hast
wieder, was dein ist, was sein war,
[...]
Paul Celan, aus dem vierten Binnenzyklus der“ Niemandsrose“,
dem Gedicht “Es ist alles anders“.
“Im Grunde bin ich wohl
ein russischer Dichter“
Fremde Nähe - Paul Celan als Übersetzer IV
Christine Ivanović
spricht über Dichtung und Poetik Celan’s
im Kontext seiner russischen Lektüren
“Reiner nun der Tod
und salziger das Elend“
Ralph Dutli
liest und erläutert Übertragungen Paul Celans
aus dem Russischen.
Literaturhaus, Salvatorplatz 1
Lesung im Rahmen der Ausstellung
“Fremde Nähe. Celan als Übersetzer.“
In Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus.