fallbackImageStage

Ich hätte nicht das Hemd mitnehmen sollen aus Belgrad

Bora Ćosić gilt neben Danilo Kiš und Mirko Kovač als einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Generation im ehemaligen Jugoslawien. Geb. 1932 in Zagreb, lebte er ab 1937 in Belgrad, wo er Philosophie studierte. In den 50er Jahren arbeitete er als Redakteur für di-verse Zeitschriften und als Übersetzer aus dem Russischen. Aus Protest gegen das Tito-Regime verließ Ćosić 1992 Belgrad und ließ sich in Istrien nieder. Ein Stipendium des DAAD führte ihn 1995 nach Berlin, wo er heute lebt. Ćosićs etwa fünfzig Bücher wurden in viele Sprachen (u.a. ins Deutsche, Englische, Französische und Ungarische) übersetzt. 2002 wurde er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, 2008 mit dem „Albatros“ der G.-Grass-Stiftung ausgezeichnet.

Über sein lyrisches Schreiben, das erst nach der Jahrtausendwende einsetzte, sagt Ćosić selbst: „Die Vorgeschichte meiner Poesie ist kurz. Als ich zwanzig war, übersetzte ich Majakowski und andere russische Futuristen. Gleichzeitig schrieb ich Verse futuristischer Art. Später habe ich mich den Dadaisten und Surrealisten zugewandt, noch später habe ich verschiedene Formen ausprobiert, aber immer in Prosa. Im Jahr 2000 starb mein Freund, ein Schriftsteller […]. Am nächsten Morgen schrieb ich mein Klagelied über diesen Fall. Danach ist ein ganzes Büchlein entstanden, den toten Freunden und Verschwundenen gewidmet […]“.

An Lyrikbänden auf Deutsch liegen von Ćosić vor: Die Toten. Das Berlin meiner Gedichte (2001), Irenas Zimmer (2005), 7 Gedichte (2004) und Brecht (2009), die letzteren im Verlag Peter Ludewig.


Johano Strasser, geb. 1939 in Leeuwarden/Holland, studierte Philosophie in Mainz und habilitierte sich in Politikwissenschaft 1977 an der FU Berlin. 1980-88 Herausgeber einer politisch literarischen Zeitschrift. Seit 2002 Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums. Strasser lebt als freier Schriftsteller (von Gedichten, Prosa, Theaterstücken und Hörspielen) am Starnberger See und in Berlin. Im März 2010 erscheint sein neuer Gedichtband Labile Hanglage.

Die Flügel

Wenn einmal der Vögel Dasein im Freien
ein Ende nimmt
ihr Wissen
die Namen und der Flug
bleibt trotzdem das plötzliche Flattern
beim gemeinsamen Umwenden der Notenblätter
in den Händen der Chorsängerinnen
dies innere Aufleuchten
in der Tiefe des Kirchenschiffes

wenn die Musik noch da sein wird
die Weiblichkeit
und die Seefahrt

Bora Ćosić, übersetzt von Irena Meyer-Wehlack
aus: 7 Gedichte (2004)

Ich hätte nicht das Hemd mitnehmen sollen
aus Belgrad […]

Bora Ćosić
liest aus seinen Gedichten (serbisch / deutsch).

Einführung: Johano Strasser

Dolmetscherin: Zuzana Finger

Donnerstag­, den 04.02.2010
20:00 Uhr

Amalienstrasse 83 / Rückgebäude
(U3/U6 Haltestelle Universität)

Eintritt: €7,00 / €5,00
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei