Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Der Mond ist in China nicht nur für die Berechnung des traditionellen Kalenderjahres der maßgebende Himmelskörper, sondern wohl überhaupt das vielseitigste Symbol. Lyrik als herkömmliche Kunstgattung steht mehrfach im Zeichen und im Zeitmaß des Mondes: die starke Gebundenheit des Dichters an den Wandel und Rhythmus der Tages- und Jahreszeiten verwebt Stimmungen und Ereignisse und gibt eine variable Zeitstruktur vor, an der die poetische Wahrnehmung ihre Substanz findet. Der Mond ist überdies die Quelle des anderen Lichts, das naturgegebene Urbild des unendlichen Spiegels, das sich selbst reflektiert. Nicht die schöpferische Antriebskraft, sondern das zurückstrahlende Wiedergeben einer längst vollendeten Schöpfung darf als einer der tragenden Pfeiler der literarischen Tradition Chinas bezeichnet werden, deren Lehrer Konfuzius die Überlieferung dem Neuerschaffenen voranstellte.
Die vierteilige Lesungsreihe orientiert sich deshalb an den Jahreszeiten nach dem alten Kalender, bzw. an den zugehörigen Festtagen, Naturphänomenen und Zeitgedanken, von denen die großen Dichtungen des 3. bis 13. Jhrdt. n.Chr. zeugen. Der erste Abend betrifft die Spanne zwischen dem chin. Neujahrsfest (Mitte Febr.) u. d. „Fest der hellen Klarheit“ (5.April), an dem in den Familien das Ahnenopfer dargebracht wurde. Dem entspricht i. d. Lyrik eine Grundstimmung, die zwischen der Erwartung des Neubeginns u. d. Anteilnahme am Vergangenen schwankt und Halt sucht.
Frank Kraushaar, geb. 1967 in Duisburg, promovierte im Fach Sinologie (Univ. Hamburg) und ist seit 1999 Lehrbeauftragter für klass. chin. Literatur am Institut f. Ostasienkunde u. a. Institut f. Komparatistik der LMU. Seit 2001 Mitarbeiter des Lyrik Kabinetts. Die in dieser Reihe vorgestellten Gedichte trägt er in seiner Übersetzung vor.
Zhu Jianqing, geb. 1974 in Shanghai, studiert seit 1997 Sinologie in München.
Zierapfelblüten Su Shi (1036 – 1101)Der Ostwind streift zart ihre kostbaren Lichter. Bei Mond am Balkon duftet Regenluft dichter. Damit auch die Blüten des Nachts nicht entschlafen, Bescheint eine Kerze die roten Gesichter. Aus dem Chinesischen von Frank Kraushaar |
„Im Zeitmaß des Mondes“
Klassische chinesische Dichtung
I. Neu- und Frühjahrsgedichte
(chinesisch/deutsch)
Vorgestellt von:
Frank Kraushaar
Die chinesischen Texte liest: Zhu Jianqing
Der zweite Abend dieser Reihe findet im Sommer statt,
der dritte und vierte Abend dann im Herbst bzw. Winter.
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.
(U 3 / U 6 Universität)
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei