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Im Zeitmaß des Mondes

Da im Wechsel der chinesischen Jahreszeiten anhaltende und übergehende Zustände einander ablösen, muß nun auf den Sommer, der das Leben an sich fesselte, ein erneuter Übergang folgfen, der nur durch die Bewegung zum Tod hin eingeleitet werden kann.

Wenn als eine Art „Grundstimmung des Frühlings“ der „Verdruß“ (hen) bezeichnet wurde, so darf man das, was aus nahezu aller Herbstlyrik wie eine gewichtlose Melancholie anrührt, mit dem sehr viel schwieriger zu übersetzenden, chinesischen Ausdruck kong belegen. In der modernen Umgangssprache bedeutet kong „Himmel“, nicht als Gottheit, sondern als Natur. Das Schriftzeichen scheint auf die Bedeutung einer Höhlung oder Wölbung schließen zu lassen. In zusammengesetzten Termini weist kong auf eine - ihrer inhaltlichen Dichte, jedoch nicht ihrer Substanz - entleerte Form hin und wird i. d. S. etwa von W. Kubin mit „der durchsichtige Berg“ (kong shan) übertragen. Zu Beginn der Lesung wird dieser, auch für die ganze fernöstliche Ästhetik zentrale Grundgedanke im lyrischen Kontext ausgeführt, um auf die anschließend gesprochenen Texte vorzubereiten.


Frank Kraushaar, geb. 1967 in Duisburg, promovierte im Fach Sinologie (Univ. Hamburg) und ist seit 1999 Lehrbeauftragter für klass. chin. Literatur am Institut f. Ostasien-kunde u. a. Institut f. Komparatistik der LMU. Die in dieser Reihe vorgestellten Gedichte trägt er in seiner Übersetzung vor.


Zhu Jianqing, geb. 1974 in Shanghai, studiert seit 1997 Sinologie in München.

 



Aus den Gesängen vom Herbstsee

Am Herbstsee sieht man weiße Affen viel,

Fliegende Schneeflocken, hüpfen, wippen.

Von hohen Ästen zieht es die Wichte

Herab zum Wasser, am Mond zu nippen.

 

Li Bo

Aus dem Chinesischen von Frank Kraushaar

Im Zeitmaß des Mondes

Klassische chinesische Dichtung

III. Herbst - Gedichte

(chinesisch/deutsch)

Vorgestellt und übersetzt von:

Frank Kraushaar

Die chinesischen Texte liest: Zhu Jianqing

 

Donnerstag­, den 02.10.2003
20:00 Uhr

Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.

(U 3 / U 6 Universität)

 

Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.

Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei