Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Mario Luzi, 1914 in Castello (Florenz) geboren und die meiste Zeit seines Lebens bis heute dort ansässig, unterrichtete nach einem Studium der „Lettere“ an Gymnasien und dann an der Universität. In den 30er Jahren arbeitete er an den wichtigsten florentiner Literaturzeitschriften mit und verfaßte literaturtheoretische Arbeiten u. a. zum Hermetismus, zum Symbolismus und zu Dante. Seine zahlreichen Lyrikbände wurden mit namhaften Literaturpreisen ausgezeichnet und 1998 als L’opera poetica (Mondadori) zusammengefaßt.
Luzis Dichten spiegelt seismographisch die Entwicklung Italiens seit der Jahrhundertmitte: im Klima des "Hermetismus" zu hohem stilistischen Raffinement geschult, vollzieht seine Lyrik nach dem Weltkrieg eine Öffnung auf die brennende soziale Realität und erfaßt seitdem das Wirkliche mit einer 'poetischen Luzidität', die sich in den letzten Jahren zunehmend aus einem spirituellen Licht speist.
In deutscher Übersetzung liegen vor: Wein und Ocker (Ü: H. Helbling), Klett-Cotta 1993; Gedichte (Ü: Gio Batta Buciol, J. B. Perfahl), Narr 1989.
Dr. Ute Stempel, geb. in Zwickau/Sachsen, promovierte über Dino Buzzati und ist heute publizistisch für ver-schiedene Tageszeitungen und Rundfunkanstalten tätig. Sie lebt in München.
Alla madre
Forse, infranto il mistero, nel chiarore
del mio ricordo un’ombra apparirai,
un nonnulla vestito di dolore.
Tu non diversa, tu come non mai:
solo il paesaggio muterà colore.
In un nembo di cenere e di sole
identica, ma prossima al candore
del cielo passerai senza parole.
Io ti vedrò sussistere nel vago
degli sguardi siderali, nel ritardo
dei fuochi che si spengono in un ago
di luce rossa a cui trema lo sguardo.
Mario Luzi: Un brindisi, 1942
An die Mutter
Als Schatten wohl, zerbricht einst das Geheimnis,
trittst du ins Helle der Erinnerung,
ein Nichts, gekleidet als ein Schmerzensgleichnis.
Du wie noch nie, ohne Veränderung.
Das Land wird in neuen Farben stehen.
Wo Asche sich verwölkt mit Sonnenschein,
fest in dir selbst, doch nahe am Vergehen
in Himmelsweiße ziehst du wortlos hin.
Ich werde sehen, wie du dich im Dunkel
der Augenblicke hältst, im Weilen spät
der Flammen, die verebben im Gefunkel
des roten Strahls, woran der Blick noch bebte.
Mario Luzi: Un brindisi, 1942, übersetzt von H. Helbling
„Lucidità poetica“
Mario Luzi
liest aus seinen Gedichten
(deutsch/italienisch)
Einführung und Moderation:
Ute Stempel
IBZ - Internationales Begegnungszentrum
der Wissenschaft, Amalienstr. 38
(U 3 / U 6 Universität)
Im Anschluß an die Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
3. Lesung der Reihe POESIA 2000
Mit freundlicher Unterstützung des Italienischen Kulturinstituts, von IBZ und Kulturreferat/Literatur.
Eintritt: DM 10,- / DM 7,-
Mitglieder Lyrik Kabinett und IBZ: frei