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Menschenfeind

Vlado Kristl – Maler, Filmemacher, Dichter - geboren 1923 in Zagreb, Studium an der Kunstakademie, Partisan, in den Fünfzigern in Westeuropa unterwegs als Schafhirte, Taxifahrer, Hilfsarbeiter, Schauspieler, einige Jahre in Chile - das sind die Stichworte für seine Biografie, aber einer solchen wollte er sich sein Leben lang entziehen. 1963 kommt er nach München, und hier ist er, mit Exkursionen nach Hamburg, für eine Kunstprofessur zum Lebensunterhalt, geblieben. ... Man spürt die Tradition der Münchner Boheme in dem, was er macht, heftiger und wahrhafter als bei vielen Einheimischen. Eine Anarchie, ein Verlangen nach Unbedingtheit, wegen der man ihn in die Nähe von Valen-tin und Achternbusch und Heinz Braun rückte... das sind natürliche Prozesse seiner Kunst, und die Verrisse, bei der Kritik, sind die Fortsetzung seiner eigenen Arbeit. Manchmal sind seine Filme sogar ins Kino gekommen... Mit Kafka hat man ihn zusammengebracht und als Don Quijote dargestellt.... Freunde (und Feinde) haben ihm seine Filme produziert in München und Hamburg, Peter Schamoni, Rob Houwer, Detten Schleiermacher, Dieter Reifarth, das Kuratorium Junger Deutscher Film und sogar der Bayerische Rundfunk. Er hat sich revanchiert und seine Filme wie Geschenke gemacht: \"Ja, habt ihr nicht bemerkt, dass eigentlich nur Platz ist für den, der selbst den Platz mitbringt.\" Diesen wunderbaren Kristl-Satz hat Peter Handke sich für seine \"Linkshändige Frau\" geborgt.... (Fritz Göttler, SZ 24.1.03)


1975 und 2002 widmete das Münchner Fimmuseum Vlado Kristl eine Retrospektive. Bilder von Kristl wurden kürzlich in der Galerie Klaus Lea in Schwabing gezeigt. Kristl schrieb immer auch Prosa, Theaterstücke und Lyrik. „Menschenfeind“ ist ein bisher unveröffentlichter Band mit Gedichten der letzten Jahre – Vlado Kristls literarisches Testament.

 

VLADO KRISTLAus: Menschenfeind

 

 Motto: Menschengesellschaft ist Feind des Menschen

 Der Mensch hat ein„Ich“,

 Menschengesellschaft dagegen keins

 

  77) Rabenschreie

Hunde bellen zurück

es gibt großen Streit um die Gegend

die man betritt als Kind

und verliert nach der Kindheit

 

viele Gegenden sind etwas geworden, viele nicht

 

  88) nichts ist vom Fortschritt verschont geblieben

auch die zur Familie gehörende Hauskatze

sie bekam ein Halsband

mit elektronischem Vogelgezwitscher

 

jetzt dreht sie sich den ganzen Tag um sich herum

man ist doch nicht so blöd wie man aussieht

 

130) Wenn sich jemand beim Lesen

<unsterblich> </unsterblich>

und schon weiß, wo der Goldschatz begraben liegt

 

nun sich auf die Socken machen will,

unerwartet vorher aber noch eine schöne Frau trifft,

sich verabredet und lernt, was große Liebe ist,

 

bis er merkt, daß er das Buch verkehrt rum hält.

„Menschenfeind“

Vlado Kristl

liest aus seinen Gedichten

zusammen mit Carola Regnier.


Einführung: Michael Krüger


Im Anschluß a. d. Lesung sehen Sie einen dreiteiliger Film: „Kunst ist außerhalb der Menschengesellschaft“ (ca.20 Min.) von und mit: Gabi Schwark/ Dieter Reifarth (standfilm, Ffm.); Carola Regnier/ Vlado Kristl; Johanna-Pauline M./Markus Nechleba (Weekend-Film); Frank Wolff.

Montag­, den 21.07.2003
20:00 Uhr

Bayerische Staatsbibliothek, Ludwigstr. 16

Sitzungssaal, 1. Stock links

(U 3 / U 6 Universität)

Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.

Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei