Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Eduard Mörike, dessen Geburtstag sich 2004 zum zweihundertsten Mal jährt (8.9.1804–4.6.1875), hat zeitlebens antike Dichtung übersetzt: 1840 erschien die Classische Blumenlese mit Übertragungen lateinischer und griechischer Dichtung, 1855 Theokritos, Moschos und Bion, 1864 Anakreon und die sogenannten Anakreontischen Lieder. Das Wundersame daran ist, daß der Dichter, abgesehen vom Anakreon, stets vorliegende Übersetzungen überarbeitet, ergänzt, oft auch nur verschiedene Versionen zusammengefügt und dabei dennoch kein Flickwerk, sondern eigenständige Sprachgebilde „für den rein genießenden Leser“ (Mörike) geschaffen hat.
Diese Mosaik-Technik einsichtig und zugleich den Tonfall Mörikes hörbar zu machen ist nicht nur ein ästhetisch-intellektuelles Vergnügen für sich, sondern eröffnet auch den Blick für Kompositionstechniken und Spuren antiker Metrik in der Lyrik Mörikes, denen gleichfalls nachgegangen werden soll. Eine gebündelte Summe all dieser weit eher Transformationen denn Einflüsse zu nennenden Linien findet sich in dem Gedicht An eine Äolsharfe gezogen, dessen Deutung einen Durchgang durch Homerische Hymnen, Theognis, Theokrit, Catull, Horaz und Tibull beschließen soll.
Thomas Poiss, geb. 1959 in Wien, Klassischer Philologe an der Humboldt-Universität zu Berlin. Veröffentlichungen zu Pindar, Horaz, Hölderlin, Rudolf Borchardt, Ludwig Greve; Rezensionen moderner Literatur in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Th. Poiss ist Mitglied des Lyrik-Kabinetts und stellte hier die Dichter Horaz (1994), Les Murray (1999), Stefan Monhardt (2000), Lud-wig Greve (2001 mit Uwe Pörksen und Jörg Drews) und 2002 Uvo Hölschers Pindar-Übersetzung vor.
Du singest Thebens Kriege,
Und jener Trojas Schlachten,
Ich meine Niederlagen.
Kein Reiterheer, kein Fußvolk
Schlägt mich, und keine Flotte.
Ein andres Heer bekriegt mich –
Aus jenem Augenpaare.

Anakreontisches Lied Nr. 2
(= Anacreonteum 26)
„Musen-Mosaik“
Mörike
als Übersetzer aus den alten Sprachen
(Altgriechisch/Lateinisch/Deutsch)
Vorgestellt von Thomas Poiss
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.
(U 3 / U 6 Universität)
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei