Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Von Ingeborg Bachmann stammt die Formulierung, in der Gegenwart gebe es eine „Blicktrübung“ für Gedichte. Während die neuesten Romane, Erzählungen und Dramen von der literarischen Öffentlichkeit meist unmittelbar wahrgenommen werden, brauchen Gedichte in der Regel Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sie sich im Bewußtsein der Leser einen Platz erobert haben, und auch das gelingt immer nur einer kleinen Zahl. Daran hat sich seit den 50er Jahren nichts geändert, auch wenn gelegentlich von einem „Lyrik-Boom“ die Rede war.
Diesem Mißverhältnis möchte die Veranstaltung begegnen: Sie bietet allen Interessierten die Gelegenheit, sich in einer Gesprächssituation unter wissenschaftlicher Leitung mit der deutschsprachigen Lyrik der Gegenwart zu beschäftigen und dabei ihren Blick für Gedichte zu schärfen. Gegenstand der Diskussion ist die aktuelle Lyrik in ihrer ganzen Breite und Vielschichtigkeit: Poesie, Poetik und Kritik. Als Text- grundlage dienen neben Gedichtbänden und Anthologien auch Zeitungen, Zeitschriften sowie das Internet. Sofern es sich anbietet, wird das Programm auf die im Lyrik Kabinett stattfindenden Lesungen abgestimmt.
2.Abend: Mittwoch, 19. Februar 2003
3.Abend: Mittwoch, 21. Mai 2003
4.Abend: Mittwoch, 25. Juni 2003
ALLES GUTE, TOCHTER
Nebenan schläft mein Kind. Die Zeitbombe tickt
Mit tiefen Atemzügen. Solange sie träumt,
Geht im Zimmer die Arbeit voran.
Heute dachte ich beim Anblick ihres Nackens,
Der kleinen Ader an der Schläfe, ohne Wehmut,
Daß sie mich überleben wird.
Von ihrer Zukunft
Weiß ich soviel wie sie von der Vergangenheit
Des Menschen heute, der ihr Vater ist.
Sie hat mir leid getan, wie sie da saß
Halb unterm Schreibtisch, in der Hand die Murmel.
Getrennte waren wir, zwei Fremde in der Zeit.
Sie von da aufzuheben fehlte mir die Kraft.
Durs Grünbein: UNA STORIA VERA
Neueste deutsche Lyrik
Diskussionsrunde
unter der Leitung von
Frieder von Ammon
Erster Abend
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rg.
(U 3 / U 6 Universität)
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: frei