Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Von Ingeborg Bachmann stammt die Formulierung, in der Gegenwart gebe es eine „Blicktrübung“ für Gedichte. Während die neuesten Romane, Erzählungen und Dramen von der literarischen Öffentlichkeit meist unmittelbar wahrgenommen werden, brauchen Gedichte in der Regel Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sie sich im Bewußtsein der Leser einen Platz erobert haben, und auch das gelingt immer nur einer kleinen Zahl. Daran hat sich seit den 50er Jahren nichts geändert, auch wenn gelegentlich von einem „Lyrik-Boom“ die Rede war.
Diesem Mißverhältnis möchte die Veranstaltung begegnen – und die beiden ersten Abende haben gezeigt, dass hieran seitens der Leser ein lebhaftes Interesse besteht: Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, sich in einer Gesprächssituation unter wissenschaftlicher Leitung mit der deutschsprachigen Lyrik der Gegenwart zu beschäftigen und dabei ihren Blick für Gedichte zu schärfen. Gegenstand der Diskussion ist die aktuelle Lyrik in ihrer ganzen Breite und Vielschichtigkeit: Poesie, Poetik und Kritik.
Als Textgrundlage des dritten Abends wird das Jahrbuch der Lyrik 2004 dienen. Seit seiner ersten Ausgabe 1979 macht das Jahrbuch als sich fortschreibende Anthologie die aktuellen Tendenzen der Gegenwartslyrik sichtbar. Neben dem ständigen Herausgeber Christoph Buchwald verantwortet die Auswahl in jedem Jahr ein anderer Lyriker – für 2004 ist es Michael Krüger.
Frieder von Ammon, geb. 1973 in München, Studium der Neueren deutschen Literatur, Musikwissenschaft und Komparatistik in München und Portland, Oregon. Arbeitet an seiner Dissertation und als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
4. Abend: Mittwoch, den 26. Juni. Thema: Robert Gernhardt
DEUTSCHE GEDICHTE
Es steht nichts mehr zwischen den Zeilen
kein Platz zwischen den Zeilen
das Papier vollgeschrieben
mit dem Nichts von Heute.
Immer zu wenig
Blut in den Adern, immer
zu kalt.
Immer noch dasselbe hohle Getön
Kunststückchen darüber wie man
die Hände bewegt ohne zu arbeiten
und schicksalsschwer die Seele runzelt, um den Schatten
zu betören
sag ich mal einfach so ist ja auch egal.
Vom Rand der Dinge kommen noch manchmal
Stimmen. Dort wird noch gekämpft
und verloren, dort gibt es noch diese
Leidenschaft der Besiegten und dieses
Lächeln über die Lügen der Liebe.
Ludwig Fels
in: Jahrbuch der Lyrik 2004
Neueste deutsche Lyrik III
Thema: Jahrbuch der Lyrik 2004
Diskussionsrunde
unter der Leitung von
Frieder von Ammon
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rg.
(U 3 / U 6 Universität)
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: frei