Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Von Ingeborg Bachmann stammt die Formulierung, in der Gegenwart gebe es eine „Blicktrübung“ für Gedichte. Während die neuesten Romane, Erzählungen und Dramen von der literarischen Öffentlichkeit meist unmittelbar wahrgenommen werden, brauchen Gedichte in der Regel Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis sie sich im Bewußtsein der Leser einen Platz erobert haben, und auch das gelingt immer nur einer kleinen Zahl. Daran hat sich seit den 50er Jahren nichts geändert, auch wenn gelegentlich von einem „Lyrik-Boom“ die Rede war.
Diesem Mißverhältnis möchte die Veranstaltung begegnen – und frühere Abende haben gezeigt, dass hieran seitens der Leser ein lebhaftes Interesse besteht: Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, sich in einer Gesprächssituation unter wissenschaftlicher Leitung mit der deutschsprachigen Lyrik der Gegenwart zu beschäftigen und dabei ihren Blick für Gedichte zu schärfen. Gegenstand der Diskussion ist die aktuelle Lyrik in ihrer ganzen Breite und Vielschichtigkeit: Poesie, Poetik und Kritik.
Thema des 6. Abends: Mit ihrem Gedichtband Mein Arbeistirol legt Friederike Mayröcker eine Art lyrisches Tagebuch der Jahre 1996 bis 2001 vor. Das thematische Spektrum ist weit: Es reicht von der Evokation früher Kindheitserinnerungen über den Dialog mit Freunden und der literarischen Tradition bis hin zu Wahrnehmungen der Gebirgslandschaft. Im Vordergrund steht die literarische Trauerarbeit nach dem Tod Ernst Jandls.
Frieder von Ammon, geb. 1973 in München, Studium der Neueren deutschen Literatur, Musikwissenschaft und Komparatistik in München und Portland, Oregon; derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter für Germanistik an der L-M.- U.
Sonnenfinsternis ’99 / Bad Ischl
für Ernst Jandl
erst wieder in 700 Jahren sagt ER
1 Jahrhundert Ereignis sagt ER
solltest du nicht versäumen sagt ER
auf dem Balkon setzt ER die Spezialbrille auf
verkrieche mich mit dem Hündchen in der Schreibtischnische
die Vögel verstummen –
1 Jahr danach SEINE ewige Finsternis.
Neueste deutsche Lyrik VI
Thema: Friederike Mayröcker,
Mein Arbeitstirol
Diskussionsrunde
(ohne die Autorin)
unter der Leitung von
Frieder von Ammon
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rg.
(U 3 / U 6 Universität)
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: frei