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Noche oscura

Teresa de Avila (1515-1582) gilt als Persönlichkeit von überragender Autorität u. Organisationsgabe, großer Menschenkenntnis, innerer Stärke u. bewundernswert gesundem Menschenverstand: Das von ihr nach vielen Jahren schmerzlicher Erfahrungen endlich gewonnene Gleichgewicht zwischen Spiritualität und Menschlichkeit ließ sie zu einer der großen Lehrerinnen für die Wagnisse des mystischen Lebensversuches werden. Trotz einer angegriffenen Gesundheit begann sie 1562 gegen heftige Widerstände mit der Gründung von Reformklöstern, aus denen schließlich der reformierte Zweig - die Unbeschuhten Karmeliter – hervorging. Wesentlich unterstützt wurde sie in ihrem Reformwerk von Juan de la Cruz. Beider Schriften sind Theologie und Dichtung zugleich: Die myst. Liebeslyrik begreift die Unio mystica m. d. Göttlichen als einen Liebesaufstieg, der i.d. Sprache der Liebeslyrik beschrieben wird u. zu einer eigentüml. Ambivalenz führt, ja in einer Kongruenz von geistlicher u. sinnlicher Liebe gipfelt.
 

Juan de la Cruz (1542-1591) trat 1563 in den Karmeliterorden ein u. schloß sich unter dem Einfluß Teresas der strengen Richtung d. Ordens an. 1572-77 Spiritual am Menschwerdungskloster zu Avila, in dem Teresa Priorin war. Sein Lebensweg ist bestimmt v. d. heftigen Auseinandersetzungen um die Zukunft des Ordens: mehrmalige Gefangennahme, auch Folterung. In strenger Haft im Kloster zu Toledo entstanden seine ersten myst. Gedichte. Anders als Teresa war er kein Organisator. Im Umgang mit anderen nachsichtig u. gütig, gegen sich selbst von unerbittlicher asket. Strenge. Als die Quellen, aus denen er schöpft, gibt er an: Erfahrung u. Wissenschaft unter Führung der Hl. Schrift. In seinen myst. Schriften erreicht er ein seltenes Gleichgewicht zw. menschl. Geist u. geistlicher Gnade, eine „nüchterne Trunkenheit“.
 

Bernhard Teuber, geb. 1954 in München. 1994 Habilitation über Sacrificium litterae. Allegorische Rede und mystische Erfahrung beim Hl. Johannes vom Kreuz. Seit 2000 Prof. f. Roman. Philologie in München. ‚Mittelalterl. u. span. Mystik‘ zählt u.a. zu seinen Forschungsschwerpunkten.

1
En una noche obscura
Con ansias, en amores inflamada,
¡o dichosa ventura!,
salí sin ser notada,
estando ya mi casa sosegada.
 
5
¡O noche, que guiaste!
¡O noche, amable más que el alborada!
¡O noche que juntaste
Amado con amada,
amada en el Amado transformada!
 
8
Quedéme y olbidéme,
el rostro recliné sobre el Amado;
cessó todo, y dexéme
dexando mi cuydado
entre las açucenas olbidado.
 
Juan de la Cruz. Aus: Noche obscura
  1
Es war in dunkler Nacht,
Ich brannt' von Liebeswehen,
O Glück, das selig macht! -
Entwich ich ungesehen
Und ließ mein Haus in Ruhe stehen.
 
5
Du warst mir Führer, Nacht;
Nacht, süßer als der Morgen,
Hast Herz zu Herz gebracht,
Hast uns in Lieb geborgen
Mich im Geliebten, ihn in mir verborgen.
 
8
Ich gab, ergab mich ganz,
Das Haupt am Lieb geborgen.
Es schwand der Dinge Glanz,
Vergessen war mein Sorgen,
Da ich in Lilienduft geborgen.
 
Aus: "Dunkle Nacht", Kösel-Verlag 1987.

„Noche oscura“
Mystische Dichtung aus Spanien

Teresa de Avila und Juan de la Cruz
 

Einführung und Kommentar:

Bernhard Teuber
 

Lesung in deutscher und spanischer Sprache

Victor A. Ferretti (span.) und Axel Wostry (dtsch.)

Montag­, den 29.10.2001
20:00 Uhr

IBZ - Internationales Begegnungszentrum
der Wissenschaft, Amalienstr. 38

(U 3 / U 6 Universität)

Eine gemeinsame Veranstaltung von IBZ und Lyrik Kabinett.
Im Anschluß an die Lesung laden wir ein
zu einem Glas Wein.

Eintritt: DM 10,- / DM 7,-
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei