Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Gertrud Kolmar (eigentlich Chodziesner) wurde 1894 in Berlin als Tochter des jüdischen Rechtsanwaltes Ludwig Chodziesner und seiner Frau Elise geboren und wuchs in Charlottenburg auf. 1916 erwarb sie ein Sprachlehrerinnen-Diplom für Englisch und Französisch. Eine Beziehung mit einem Offizier endete mit der Abtreibung ihres Kindes.
1917 erschien ihr erster Gedichtband unter dem Pseudonym „Gertrud Kolmar“. 1917/18 arbeitete sie als Zensorin in einem Kriegsgefangenenlager, danach als Erzieherin in Berlin und 1927 in Hamburg. In dieses Jahr fiel auch eine Studienreise nach Frankreich (Paris und Dijon).
Seit Ende der 1920er-Jahre erschienen ihre Gedichte in Zeitschriften und Anthologien. Ihr dritter Gedichtband Die Frau und die Tiere, 1938 in einem jüdischen Verlag erschienen, wurde nach der Reichskristallnacht eingestampft. 1938 wurde ihre Fa-milie zum Umzug in ein sog. „Judenhaus“ in Berlin-Schöneberg gezwungen. Ab Juli 1941 musste Gertrud Kolmar Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten. Ihr Vater wurde 1942 nach Theresienstadt gebracht und starb dort ein Jahr später. Gertrud wurde am 27. Februar 1943 im Verlauf der sog. ‚Fabrikaktion’ verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Datum und Umstände ihres Todes sind nicht bekannt.
Barbara Bronnen, Dr. phil., in Berlin geboren, in Österreich aufgewachsen, schrieb u. a. die Romane Die Tochter (1980); Die Überzählige (1984), Leas siebter Brief (1998), Das Monokel (2000); soeben erschien ihre Romanbiographie Fliegen mit gestutzen Flügeln. Die letzten Jahre der Ricarda Huch (www.bronnen.de).
Franziska Bronnen, Schauspielerin, Theatergastspiele u. a. in Berlin, München, Frankfurt, Köln, Düsseldorf; Fernsehhauptrollen, u. a. ‚Melusine’ in Der Stechlin; Lesungen; Hörbücher.
Auf blauem Grunde, goldgekrönt, der silber- und
rot gestreifte hessische Löwe
So zartes Spielwerk hat wohl nur die eine,
Der Königstochter müde Hand, berührt,
Das kühle Silber fröstelnd scharf gespürt
Und wundersam die rotgeäugten Steine,
Darin ein Gnom zu glastend düstrem Scheine
Vertropften Wollustfunken einst geschürt
Und deren Fruchtschmelz zum Genuß verführt
Wie Kirschen und rubinenfarbne Weine.
Ein Palisanderkästchen, alt, zerschrammt.
Auf Schloß und Pforte starrt der kleine Leu:
Schon schnappt es über ihn wie Maul und Zähne.
Nun hockt er sinnend tief im blauen Samt
Und zieht die Pranke an und sinnt aufs neu.
Und hebt das Krönlein zitternd aus der Mähne.
Gertrud Kolmar
… und redete schweigend
Gertrud Kolmar (1894 - vermutl. 1943): Gedichte und Dokumente
Ein Abend mit Barbara Bronnen
und Franziska Bronnen
Amalienstrasse 83 / Rückgebäude
(U3/U6 Universität)
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats
Eintritt: €7,00 / €5,00
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei