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Verschenkter Rat

Ilse Aichinger wurde 1921 mit ihrer Zwillingsschwester als Tochter einer Ärztin in Wien geboren. Nach der frühen Scheidung der Eltern verbrachte sie einen Teil der Kindheit mit Mutter und Schwester bei der Großmutter sowie in Klosterschulen. 1938, nach der Annexion Österreichs, verlor die jüdische Mutter Praxis und Wohnung. Die Schwester konnte 1939 fliehen, der Kriegsausbruch verhinderte die Ausreise der restlichen Familie. Die Großmutter und die Geschwister der Mutter wurden 1942 deportiert und ermordet. Ilse Aichinger und ihre Mutter erhielten in direkter Nähe der Gestapo in Wien ein Zimmer zugewiesen und wurden dienstverpflichtet. Nach Kriegsende studierte Ilse Aichinger fünf Semester Medizin. 1947 brach sie das Studium ab, um ihren autobiographischen Roman Die größere Hoffnung abzuschließen, der kürzlich beim S.Fischer neu aufgelegt wurde mit einem Nachwort von Ruth Klüger. Seit 1949 Lektorin in Wien, später in Frankfurt; Mitglied der Gruppe 47. 1953 heiratete sie Günter Eich, lebte in Niederbayern, in Portugal, im bayrisch-österreichischen Grenzland. 1954 und 1957 Geburt ihrer Kinder Clemens und Mirjam. 1972 starb Günter Eich. 1998 Tod des Sohnes Clemens. 1984, nach dem Tod der Mutter, zog Ilse Aichinger nach Frankfurt, seit Ende 1988 lebt sie wieder in Wien.

Wer nach dem Anfang der österreichischen Gegenwartsliteratur sucht, trifft auf Ilse Aichinger (R.Reichensperger). Die Bedeutung ihres über vier Jahrzehnte hin gewachsenen, extrem wandlungsfähigen Werks – Roman, Erzählungen, Hörspiele, Dialoge, Gedichte, Aufzeichnungen - dokumentiert auch die Reihe der wichtigsten Literaturpreise, zuletzt (2000) der Joseph-Breitbach-Preis für ihre strengen, hellsichtigen, unerhört konzentrierten, oft geisterhaft wirkenden Arbeiten, die das Schweigen zugleich brechen und bewahren, das scheinbar Bekannte wieder unbekannt werden lassen.

 

Verschenkter Rat

 

Dein erstes Schachbuch,

Ibsens Briefe,

nimms hin,

wenn du kannst,

da, nimm schon

oder willst du lieber

die Blattkehrer

von deiner Wiese treiben

und Ibsens Ziegen

darauf,

gleich weiß, gleich glänzend?

Es gibt Ziegen und es gibt Ibsens Ziegen,

es gibt den Himmel und es gibt eine
spanische Eröffnung.

Hör gut hin, Kleiner,

es gibt Weißblech, sagen sie,

es gibt die Welt,

prüfe, ob sie nicht lügen.

Ilse Aichinger, Verschenkter Rat. Gedichte.1978

„Verschenkter Rat“

Ilse Aichinger
liest
Gedichte und autobiographische Texte.

Moderation: Michael Krüger

Dienstag­, den 06.03.2001
20:00 Uhr

Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München, Prinzregentenstraße 91

Eintritt: DM 10,-
Mitglieder Lyrik Kabinett: freier Eintritt

Kulturzentrum: Tel: 47 10 67 Fax: 4 70 54 17