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Vor der Tür das Ende der Welt

Tomas Venclova wurde 1937 in Klaipeda (Litauen) geboren. Sein Vater, der Schriftsteller Antanas Venclova, war seit der sowjetischen Okkupation 1940 ein hoher Funktionär für Literatur – schwierig für den Sohn, der als Kind eines Landesverräters betrachtet wurde. Ab 1954 studierte TV an der Universität Wilna Philologie - die Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956 prägte ihn tief. Er beendete sein Studium 1960 und verdiente sein Brot in den folgenden Jahren mit Unterricht, literar. Übersetzungen, Journalistik, Essayistik – sein eigentliches Leben aber wurden die Verse, die zunächst nicht veröffentlicht werden. 1972 erscheint sein erster und für lange Zeit einziger Gedichtband Kalbos Zenklas (Zeichen der Sprache) in Litauen. T.V. lebte längere Zeit in Moskau und Leningrad, schloß Bekanntschaft mit Pasternak und Anna Achmatova, Freundschaft mit Alex.Ginzburg und J.Brodsky. Anfang der 70er Jahre nehmen seine Schwierigkeiten mit dem Regime zu und er verliert seine Arbeit. 1977 erhält er eine Ausreiseerlaubnis und durch die Vermittlung von C.Milosz eine Gastdozentur in Berkeley. Die sowjet. Staatsbürgerschaft wird ihm aberkannt, er erhält polit. Asyl in den USA, wo er seit 1980 an der University of Yale unterrichtet und seit 1993 den Lehrstuhl für Slawistik inne hat. – Er schreibt Essays und Literaturkritiken für die litauische, russ. und poln. Presse sowie für die „New York Times Book Review“, „New Republic“, New York Review of Books“ etc. Seine Gedichte sind in beinahe alle osteurop. Sprachen übersetzt. 2000 legte nun der Rospo-Verlag auch eine Auswahl in dt. Sprache vor, in einer Übertragung von Rolf Fieguth nach einer Interlinearübersetzung von Claudia Sinnig-Lucas: Vor der Tür das Ende der Welt. Gedichte. – Ausgaben in den USA u.a.: Forms of Hope. Essays; Winter Dialogue. Poetry; Aleksander Wat: Life and Art of an Iconoclast; Unstable Equilibrium: Eight Russian Poetic Texts.
 

Rolf Fieguth , geb. 1941 in Berlin, ist Professor für Slavische Sprachen und Literaturen in Freiburg/Schweiz.

                              Schreib ein Gedicht über ein Gespräch mit Vögeln.
                                                                               Aus einem Brief
 

Der Brunnen – bodenlos und steil,

In seinen schwarzen Glanz schauen trotzdem

Gestirn, Goldamsel, Röhricht, Mensch,

Sie bindet unerwartete Verwandtschaft
 

 

Es kommt uns vor, das sei ein einziges Licht,

Das mehrmals durch dies hallende Prisma ging.

Was macht denn deinen Staub und Weisheit höher,

Als es der Drossel silberne Sophismen sind?
 

 

 

Und vor dem Morgengrauen, an Sommers Ende,

Wenn sich das Firmament zerstreut, die Welten rieseln,

Kommt blind ein und dieselbe Macht

Und rührt euch an wie eine bald zerbrochene Lyra.
 
 

 

Tomas Venclova.
Aus dem Litauischen.
In der Übertragung von Rolf Fieguth nach einer Interlinearübersetzung von Claudia Sinnig-Lucas.

In: Vor der Tür das Ende der Welt, Rospo-Verlag 2000

 

„Vor der Tür das Ende der Welt“

Tomas Venclova
liest aus seinen Gedichten.
( litauisch/deutsch)
 

Einführung und Moderation:

Rolf Fieguth
 

Die dt. Fassung liest: Jochen Striebeck

 

 

 

 

Montag­, den 18.06.2001
20:00 Uhr

Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.
(U 3 / U 6 Universität)

Mit freundlicher Unterstützung
des Kulturreferats/Literatur

Eintritt: DM 10,- / DM 7,-
Mitglieder Lyrik Kabinett: freier Eintritt