Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Karl Kraus wurde 1874 in Gitschin (Böhmen) geboren und starb 1936 in Wien. Auf Wunsch des Vaters immatrikulierte er sich an der juridischen Fakultät der Universität Wien. Schon während dieser Studienzeit, die er 1898 abbrach, versuchte er sich als Schauspieler und Vortragskünstler. Im Laufe seines Lebens wird er über 700 Lesungen aus eigenen Schriften sowie Dramen von Shakespeare, J. Nestroy und J. Offenbach gestalten, in denen er seinem faszinierten Publikum „das Gefühl absoluter Verantwortlichkeit“ (E. Canetti) vermittelte. - 1899 gründete die Zeitschrift Die Fackel, die 35 Jahre lang erschien und an der zunächst u. a. E. Lasker-Schüler, D. von Liliencron, H. Mann, A. Schönberg, A. Strindberg, F. Wedekind und F. Werfel mitwirkten; ab 1911 bestand sie ausschließlich aus Kraus’ eigenen Texten. Während des Ersten Weltkriegs vertrat die Fackel einen so dezidierten Pazifismus, daß sie des öfteren konfisziert wurde. Daneben richtete sich Kraus’ scharfzüngige Kultur-, Ideologie- und Sprachkritik gegen verlogenen, sensationalistischen Journalismus, gegen bürgerliche Doppelmoral sowie vor allem gegen jedwede ethisch und ästhetisch fragwürdige Literatur. Kraus’ epochales satirisches Drama Die letzten Tage der Menschheit (1918/19) zeichnet, mittels einer Collage von Zitaten aller Gesellschaftsschichten, ein apokalyptisches Weltuntergangsszenario.
Neben seinem kritischen Oeuvre weit weniger bekannt ist seine Lyrik, deren Rang sogar unter seinen Bewunderern umstritten ist. Der Abend wird eine Auswahl aus diesen Worten in Versen vorstellen, die von Kraus selbst in neun Bänden 1916-30 gesammelt wurden.
Jens Malte Fischer, geb. 1943 in Salzburg, studierte Germanistik, Geschichte und Musikwissenschaft sowie Gesang. Seit 1989 Professor für Theaterwissenschaft an der LMU. 2003 erschien seine Biografie Gustav Mahler. Der fremde Vertraute.
Zwei Läufer laufen zeitentlang,
der eine dreist, der andre bang:
Der von Nirgendher sein Ziel erwirbt;
der vom Ursprung kommt und am Wege stirbt.
Der von Nirgendher das Ziel erwarb,
macht Platz dem, der am Wege starb.
Und dieser, dem es ewig bangt,
ist stets am Ursprung angelangt.
Karl Kraus, aus: Worte in Versen I (1916)
„Worte in Versen“
Karl Kraus
Eine Auswahl aus den Gedichten.
Vorgestellt von Jens Malte Fischer
Internationales Begegnungszentrum IBZ,
Amalienstr. 38
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei