Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Rafael Alberti (1902–1999) war der letzte und populärste Vertreter jener legendären Dichtergeneration von 1927 mit der die spanische Lyrik wieder Weltgeltung erlangte. Wie kaum ein anderer der durch das „Generationserlebnis“ Góngora ideell verbundenen Gruppe (Federico García Lorca, Jorge Guillén, Luis Cernuda u.a.) hat der Andalusier Alberti volkstümliche Inhalte und Formen mit den Neuerungen der modernen europäischen Dichtung in Einklang gebracht. Beispielsweise durch die Verbindung von traditionellem Vers und surrealistischer Bildsubstanz. Die liedhafte Leichtigkeit des Neopopularismo in seinem Frühwerk (für „Matrose an Land“ erhielt er schon 1924, zusammen mit Gerardo Diego, den Nationalpreis), sein bis zur Existenzkrise getriebener Vitalismus („Über die Engel“) und die avantgardistisch innovativen Hommagen an die Helden des Stummfilms sind die Höhepunkte seiner Dichtung. Seit 1930 Mitglied der Kommunistischen Partei und Verfechter der Republik im Bürgerkrieg, „lehrte er die öffentliche Nützlichkeit der Dichtung“ (P. Neruda) im politischen Engagement seiner poesía civil. Nach Francos Sieg fast 40 Jahre im argentinischen und römischen Exil, beschwor „der Sänger der Verbannung“ wehmütig die Hoffnungen eines Spanien „zwischen Nelke und Schwert“ und sublimierte das Heimweh nach seiner Kindheit am Meer und deren verlorenen Paradiesen in baladas, canciones und coplas. 1977 nach Spanien zurückgekehrt und 1983 mit dem Cervantes-Preis geehrt, blieb der unverwüstliche Patriarch bis zu seinem Tod eine Kultfigur.
Ute Stempel, promovierte Romanistin; publizistisch tätig als Kritikerin für verschiedene Tageszeitungen und Rundfunkanstalten; Hg. von Moravia, Deledda, Daudet, di Lampedusa, d’Annunzio, Svevo.
Getäuscht hat sich die Taube.
Hat sich getäuscht.
Nach Nord wollt sie und flog nach Süden.
Das Korn hielt sie für Wasser. Hat sich getäuscht.
Das Meer hielt sie für Himmel,
die Nacht hielt sie für Tag.
Hat sich getäuscht.
Sie hielt für Tau die Sterne,
die Hitze für den Schnee.
Hat sich getäuscht.
Deinen Rock für dein Hemd,
dein Herz für ihren Schlag.
Hat sich getäuscht.
(Sie ist am Strand entschlafen,
auf einem Wipfel du.)
Se equivocó la paloma. / Se equivocaba. Por ir al norte, fué al sur. / Creyó que el trigo era
agua. / Se equivocaba. Creyó que el mar era el cielo; / que la noche, la mañana. / Se
equivocaba. Que las estrellas, rocío; / que la calor, la nevada. / Se equivocaba. Que tu
falda era tu blusa; / que tu corazón su casa. / Se equivocaba. (Ella se durmió en la orilla. /
Tú, en la cumbre de una rama.) Rafael Alberti. Aus dem Spanischen von H.M.Enzensberger
„Zwischen Nelke und Schwert“
Rafael Alberti
1902 - 1999
Zum 100. Geburtstag
Einführung und Moderation:
Ute Stempel
Lesung span./dtsch.:
Rolf Illig, Hubertus Moeller, Francesc Puértolas
Lyrik-Bibliothek, Schellingstr. 3 / Rgb.
(U 3 / U 6 Universität)
Nach der Lesung laden wir ein zu einem Glas Wein.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats/Literatur
Eintritt: €5,50 / €3,50
Mitglieder Lyrik Kabinett: frei