Lyrik3a

Mit allen Sinnen
Nach- und Neudichtungen im Rahmen des Lyrik-Workshops „Zilp-Zalp“
am Staffelsee-Gymnasium Murnau 2024

Eine Gruppe von Schülerinnen und Schüler des Staffelseegymnasiums Murnau erarbeitet seit Jahren unseren Gedichtekalender Zilpzalp. Speziell für diese Gruppe konzipiert die Dichterin Andrea Heuser einen Workshop, in die Teilnehmenden eigene Gedichte schreiben.

Andrea Heuser zu dem Workshop: "Die Poesie als Möglichkeitsraum – in unserer visuell dominierten Welt nehmen wir oft nur die starken bildlichen Reize wahr bzw. beschränken uns in der Beschreibung des Alltags, des Erlebten auf optische Merkmale. Die Metapher, die Stärke und Sinnlichkeit des lyrischen Sprachbildes, gibt uns ein ebenso schönes wie hilfreiches sprachliches Mittel zur Hand, um diese Wahrnehmungsräume zu öffnen und erweiternd zu vertiefen; sie hilft uns, die Welt und uns selbst mit allen Sinnen sprachlich auszudrücken. Poesie kann aber nicht nur das Gegebene erfassen, sondern auch die Möglichkeitsräume des Zukünftigen schreibend erkunden.

In zwei intensiven Workshop-Sitzungen haben sich die Schülerinnen und Schüler des Staffelsee-Gymnasiums Murnau, die sich aus den Jahrgängen der 6. bis 11. Klassen zum kreativen Schreiben und Arbeiten zusammengefunden haben, mit diesen Möglichkeiten dichtend auseinandergesetzt. Entstanden ist ein ebenso ansprechender wie beeindruckend sinnlicher Gedichte-Reigen, der mit originellen und inspirierenden Sprachbildern und Wendungen sicherlich nicht nur mir als Kursleiterin viel Freude geschenkt hat, sondern auch allen Freundinnen und Freunden der Poesie, die diese Gedichte lesen werden."  

Andrea Heuser, Februar 2024

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Auch das Lyrik Kabinett sagt herzlich danke: Vor allem den jungen Dichterinnen und Dichtern für die Erlaubnis, ihre Gedichte veröffentlichen zu dürfen - der Projektleiterin Andrea Heuser für ihre so inspirierenden Impulse - und insbesondere Sabine Hanus vom Staffelsee-Gymnasium, unter deren Fittichen der Zilpzalp-Kalender entsteht.

Was ist das, was kommt?

Meine Zukunft kommt schleichend.
Ich komme ihr jeden Tag etwas näher
Und doch erreiche ich sie nie.
Ich laufe voller Erwartung auf sie zu
Doch sie empfängt mich nicht mit offenen Armen.

Die Zukunft riecht nach Ärger,
Die Zukunft schmeckt nach zerkauten Problemen.
Sie sieht aus wie ein Tunnel, von dem man nur
Den vordersten Teil sieht.
 Man weiß nicht, wo er hinführt.
Man kann die Zukunft auch ändern,
Doch das Ergebnis bleibt immer offen.

Vielleicht ist sie auch wie die Sonne,
Die gerade untergegangen ist.
Und von der man weiß, dass sie bald wiederkommt
Und mich strahlend anblickt.

Emma Riedl

Marlene Hartmann

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Achtzehn

In meiner Zukunft wird sich vieles ändern
Ich werde nicht mehr durch mein Leben schlendern
Ich werde achtzehn und von der Schule gehn
Studieren, Neues ausprobieren und verlieren
Auch einiges erleben, geben, Fehler beheben.
Meinen Koffer packen und Zimtsterne backen.
Reisen, Menschen den Weg weisen
Um zu schweben, um zu leben.

Tora Kreder

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Meine Wut

Meine Wut schmeckt wie die Farbe eines Ölgemäldes
Meine Wut riecht wie verbranntes Essen
Meine Wut sieht aus wie das langsame Zerbrechen eines zerfrosteten Steins

Meine Wut fühlt sich an, als würde man mit dem ganzen Körper über die Straße schleifen
Meine Wut klingt wie das Tippen eines Fußes
Meine Wut ist ein auf den Kopf gefallenes, brennendes Auto

Dario Riedl 

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Meine Freude

Meine Freude schmeckt wie selbstgemachtes Eis,
das auf der Zunge zerschmilzt.
Meine Freude riecht wie der Duft im Haus,
wenn man einen frisch gebackenen Kuchen aus dem Ofen holt.
Meine Freude hat die Farbe von Blumen,
die in der Sonne um die Wette blühen.

Meine Freude fühlt sich an wie der erste Pulverschnee im Winter,
den man durch das lockere Werfen in die Luft zum Fliegen und Glitzern bringen kann.
Meine Freude klingt wie das Vogelgezwitscher am Morgen,
wenn die Sonne sich langsam zeigt.
Meine Freude ist wie dieses luftige Gefühl in mir,
das nur in bestimmten Momenten kommt.

Meine Freude ist wie in ein Buch einzutauchen
und die Welt um sich herum zu vergessen.
Meine Freude fühlt sich an wie als kleines Kind Geburtstag zu haben,
wie Kuchen essen und Geschenke auspacken.
Meine Freude, das sind die Sonnenstrahlen auf der Haut.

I. M.
Maya Diesler

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Meine Angst

Meine Angst schmeckt wie ein schon längst abgelaufenes Essen,
Meine Angst klingt wie die zitternden Saiten einer Violine,
Meine Angst hat viele Farben, jedoch sind sie alle dunkel.
Meine Angst fühlt sich an wie eine unsichtbare Hand,
Die versucht mich zu ersticken.
Doch was ist die Angst, wenn sie nur beschrieben werden kann?
Ist sie dann überhaupt real?

Maya Diesler

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Theresa Off
Meine Freude

Meine Freude schmeckt wie das Salz auf den Lippen nach dem Schwimmen im Meer.
Meine Freude riecht wie das Meer bei Nacht.
Es riecht nach Heu in der Scheune im Sommer, wie eine frisch geschnittene Orange,
Wie der Kerzenduft des Christbaums.

Meine Freude sieht aus wie ein Sternenhimmel bei klarer Nacht,
Sie ist der Sonnenuntergang an einem verlassenen Strand.
Meine Freude fühlt sich an wie das Ende eines guten Buches, eine Umarmung,
Wie der letzte Schultag und ein Kopfsprung ins kühle, blaue Meer.

Meine Freude klingt wie ein Windspiel, das Lachen meiner Freunde, Meeresrauschen.
Sie klingt wie das Umblättern eines Buches, das Treiben einer italienischen Stadt.
Meine Freunde ist ein Sommertag mit Freunden in den 80er Jahren. Ihr warmes Lächeln.

Pia Herold

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Zukunftsnotizen (Auszug)

„Komm zu mir“, sagte die Zukunft eines Tages zu mir.
„Nein, ich will noch nicht“, sagte ich dann.
„Ich habe dich doch noch gar nicht geplant!
Ich weiß doch noch gar nicht, wie du aussiehst.
Ich weiß doch noch gar nicht, wie du aussehen sollst!
 
„Ich sehe so aus, wie Du mich kreierst.“

Jule Diesler