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Im Herz des Habichts

Die geduldige Vogelbeobachtung gehörte von jeher zur Grundausstattung für gute Dichter. Bereits in der Antike erkannten die Poeten im Vogelflug ein Zeichen für die brüchig gewordene Seinsordnung. Aber auch die Dichter unserer Tage identifizieren sich mit den Luftgeschöpfen und bezeichnen sich z.B. als „vogelsteller“ (Thomas Kling). Wenn nun der 1961 geborene Dichter Henning Ziebritzki in seinem dritten Gedichtband ein Vogelwerk vorlegt, darf man keine beschauliche Ornithologie erwarten. Sondern im Gegenteil viele Momente der Verstörung und Beunruhigung. Ziebritzkis Vogelwerk führt uns in gefährdete Zonen und Territorien der Gewalt. Der Literaturkritiker und Alfred Kerr-Preisträger Michael Braun führt das Gespräch mit dem Dichter, der uns zu einer Reise einlädt zu den Geheimnissen unserer Existenz. Und ins Herz des Habichts: „Plötzlich fällt er lautlos aus der Blätterwand / und wölbt, zwischen zwei Verstecken gleitend, über dir / das Wunderwerk von Schrift auf seiner Brust, / unfaßbar wie ein Evangelium.“

Graureiher

Etwas Gesammeltes, Kraft, zarte Strahlen, die meinen Gang
zur Arbeit, an der Ammer, kreuzen: eine gotische
Skulptur, deren Schwung und Streifen fast verschwinden
vor Holunder, über Wellen, grau. Was mich anhält,
hinzieht, harren läßt auf eine Regung, die mir zeigt,
das ist beseelt. Ein Zucken, Zurückfedern des Halses,
ein Bein knickt hoch, erst schnell, wie unter Strom gesetzt,
hängt in der Luft, wird losgelassen. Er steht im Fließen,
bereit bis in die Schnabelspitze und der Kopf geschrägt,
damit er im Blick hat, wie es mich bewegt, alles bleibt
Form, als er sich auffaltet, rauschend, schreitet und abhebt.

Henning Ziebritzki, aus: Vogelwerk,Wallstein 2019, S. 13.

Im Herz des Habichts

Henning Ziebritzki
präsentiert
seinen neuen Band
Vogelwerk

Moderation:
Michael Braun

Dienstag, den 21.01.2020
20:00 Uhr

Lyrik Kabinett
Amalienstr. 83a
80799 München


Eintritt: € 8 / (erm.) € 6
Mitglieder Lyrik Kabinett: Eintritt frei
Abendkasse, freie Platzwahl