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Held:innen auf Probe
Die Klassiker des Mittelalters neu gelesen Ulrike Draesner, Tristan Marquardt
in Lesung und Gespräch über:
Das Nibelungenlied Gast: Felicitas Hoppe

Die klassischen Heldenepen und höfischen Romane der mittelhochdeutschen Literatur: Sie sind hochberühmt, doch wer kennt sie wirklich? Zu den Epochen und Texten, mit denen sich gegenwärtige Autorinnen und Autoren auseinandersetzen, gehörten sie für längere Zeit kaum. Doch in den letzten Jahren ist das Interesse wieder gestiegen. Neue literarische Übersetzungen, Nachdichtungen und Neuerzählungen sind erschienen. Was früher zur ‚Nationalliteratur‘ verklärt wurde, gerät nun als weit verzweigter Stoff einer europäischen Literatur neu in den Blick.

Ulrike Draesner und Tristan Marquardt laden dazu ein, die Klassiker des Mittelalters neu zu lesen. Beide schreiben literarisch, beide haben in der Mediävistik promoviert und beide haben in ihren Publikationen mittelalterliche Texte neu vermittelt. Draesner verfasste für ihr Buch Nibelungen. Heimsuchung (Reclam 2016) zu den berühmten Jugendstil-Illustrationen von Carl Otto Czeschka neue Gedichte mit Nibelungen-Stoff. Marquardt gab 2017 gemeinsam mit Jan Wagner die Anthologie Unmögliche Liebe (Hanser Verlag) heraus, in der an die 70 Dichterinnen und Dichter literarische Neuübertragungen des Minnesangs vorlegen.

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Das Nibelungenlied ist die wohl berühmteste mittelhochdeutsche Vers-Erzählung und eine von wenigen, die nicht aus einer anderssprachigen Vorlage übertragen wurde. Das Epos beruht auf verschiedenen mündlichen Erzählstoffen. Es handelt von Brautwerbung, Intrige und dem Niedergang der Burgunden. Felicitas Hoppe hat sich dem Stoff in ihrem Roman Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm noch einmal neu gewidmet und ein gesamteuropäisches Heldenepos geschrieben.

Felicitas Hoppe, geboren 1960, ist seit 1996 als Schriftstellerin tätig und schreibt Erzählungen, Romane, Kinderbücher und für das Feuilleton. Neben ihrer literarischen Tätigkeit arbeitet sie auch als Übersetzerin. Poetik- und Gastdozenturen führten sie u.a.  nach New Hampshire, Innsbruck, Washington D.C., Shanghai, Göttingen und Heidelberg. Unter der Vielzahl an Preisen, die sie für ihr schriftstellerisches Werk erhielt, ist auch der Georg Büchner-Preis (2012).

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Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in München und Oxford und promovierte 1992 mit einer Arbeit über Wolframs Parzival. In den letzten Jahrzehnten publizierte sie sieben Gedichtbände, sieben Romane, mehrere Erzähl- und Essaybände, Hörspiele, Übersetzungen und beteiligte sich an zahlreichen intermedialen Projekten. Seit 2018 leitet sie das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig. Zu den Auszeichnungen, die sie erhielt, zählen: der Große Preis des Deutschen Literaturfonds, der Bayerische Buchpreis und der Deutsche Preis für Nature Writing. Zuletzt erschienen von ihr hell & hörig. Gedichte 1995-2020 (Penguin 2022) und das Gattungsgrenzen überschreitende Buch doggerland (Penguin 2021).

Tristan Marquardt, geboren 1987 in Göttingen, lebt in München. Er ist Lyriker, Veranstalter zahlreicher Veranstaltungsformate (u. a. der Lesereihe meine drei lyrischen ichs in München), Mitverleger von hochroth München und Mitglied des Berliner Lyrikkollektivs G13. Von ihm erschienen zuletzt u. a. der Gedichtband scrollen in tiefsee (kookbooks 2018) und ein Beitrag zum Parsifal Kontainer von Alexander Kluge (Spector Books 2020). Unter bürgerlichem Namen (Alexander Rudolph) arbeitet er als Mediävist an der LMU München.

Das ausführliche Programm der Reihe finden Sie hier.

Dô was gelegen aller   dâ der veigen lîp.
ze stücken was gehouwen   dô daz edele wîp.

Dieterîch und Etzel   weinen dô began.
si klagten inneclîche   beide mâge und man.

Diu vil michel êre   was gelegen tôt.
die liute hêten alle   jâmer unde nôt.
mit leide was verendet   des künges hôchgezît,
als ie diu liebe leide   z’aller jungeste gît.

Ine kan iu niht bescheiden,   was sider dâ geschach,
wan ritter unde vrouwen   weinen man dâ sach,
dar zuo die edeln knehte   ir lieben vriunde tôt.
dâ hât daz maere ein ende.   diz ist der Nibelunge nôt.

Da waren alle tot, die sterben sollten.
In Stücke war die Königin gehauen.
Dietrich und Etzel brachen in Tränen aus.
Von Herzen beklagten sie Verwandte und Vasallen.

Dahin war Macht und Herrlichkeit.
Es gab nur Not und Trauer.
Das Fest des Königs endete im Unglück,
so bringt zuletzt die Freude immer Leid.

Ich kann Euch nicht berichten, was später dort
                                                                         geschah,
weiß nur, daß Ritter und Damen
und hochgeborene Knappen um ihre Lieben weinten.
Da endet die Geschichte. Das ist der Kampf der
                                                                        Nibelungen.

Text und Übersetzung nach der Ausgabe: Das Nibelungenlied und die Klage. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen. Mittelhochdeutscher Text, Übersetzung und Kommentar. Hg. von Joachim Heinzle. Berlin 2015, Str. 2377–2379.

Held:innen auf Probe

Die Klassiker
des Mittelalters
neu gelesen

Ulrike Draesner, Tristan Marquardt
und ihre Gäste
in Lesung und Gespräch über:
Das Nibelungenlied

Gast: Felicitas Hoppe

Montag, den 12.09.2022
19:00 Uhr

Lyrik Kabinett
Amalienstr. 83a (Haltestelle U3/U6 Universität)
80799 München

Eintritt: € 8 / € 6
Mitglieder unseres Freundeskreises: freier Eintritt
Sammelticket für alle drei Abende: € 15 / erm. € 10.
Abendkasse, freie Platzwahl
Die Veranstaltungen sind zeitnah nachzuhören auf www.dichterlesen.net