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Im Wald, im Holzhaus
Michael Krüger stellt
seinen neuen Gedichtband vor

„Ich lebe auch auf dem Land, wenn auch gezwungenermaßen, / und wenn die Krankheiten vor dem Ende des Lebens auslaufen, / kann ich wieder zurück in die Stadt zu den Krähen und Amseln […].“ Als die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 Fahrt aufnahm, hatte Michael Krüger (geboren 1943; viele Jahre Leiter des Hanser-Verlages, danach Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste) gerade eine Therapie gegen seine Leukämie begonnen – und zog sich, um sein geschwächtes Immunsystem vor Infektionen zu schützen, in das ‚Holzhaus‘ zurück, das seine Leser schon aus früheren seiner Bände kennen. Von dort, am Rand eines Dorfes, nahe dem Starnberger See, schickte er in der Folgezeit Gedichte an die Süddeutsche Zeitung, die sie in ihrer wöchentlichen Beilage veröffentlichte. Kontemplationen seiner Umgebung, seiner selbst, der Welt – mit jener unnachgiebig achtsamen und meditativen Zartheit, die die Wahrnehmung dieses Dichters immer auszeichnete, und mit all seiner Euphoriefähigkeit – gerade in jener Situation existentiellen Ausgesetzt-Seins. In einer Lesung und im Gespräch mit Felicitas von Lovenberg stellt er diese Kassiber der Kultur in Zeiten der Quarantäne im Lyrik Kabinett vor. Felicitas von Lovenberg leitet den Piper Verlag und war zuvor als Literaturkritikerin tätig (für die FAZ, die Literatursendung lesenswert des SWR etc.).

[…]
Meine Erinnerung ist ein Scherbenhaufen,
der sich nicht mehr in Form bringen lässt.
Ich picke einige Stücke heraus, halte sie
gegen das Fenster, ins Licht, und staune
über den Reichtum, den Glanz, die Pracht.
Aber es gibt keinen Anschluss, keine Fortsetzung,
kein „Bild“: die SORGLOSIGKEIT, mit der unser Weltbild
aufgebaut war, das jetzt einzuknicken beginnt.
Ich stehe unter Quarantäne,
mein Immunsystem hat seine guten Tage
hinter sich. Man muss täglich neue Wörter lernen,
heute: Herdenimmunität. Mal sehen, wie lange
es sich hält. Firmament sagt auch keiner mehr.
Raus aus der Einfältigkeit, der unergründlichen Trauer!
Ich muss den Zaun flicken, bevor ich sterbe.
[…]

Michael Krüger, aus: Im Wald, im Holzhaus, Suhrkamp 2021, S. 9f.

Im Wald,
im Holzhaus

Michael Krüger
stellt seinen neuen
Gedichtband vor
und spricht
darüber mit
Felicitas von Lovenberg

Dienstag, den 12.10.2021
19:00 Uhr

Lyrik-Bibliothek
Amalienstr. 83a
 

Bitte anmelden:
info (at) lyrik-kabinett.de.
Es gilt die 3G-Regel
(Zutritt für
Genesene, Geimpfte oder Getestete –
jeweils mit Nachweis.)
Die Lesung ist wenige Tage nach der Veranstaltung nachzuhören auf www.dichterlesen.net.