Der Flügelflagel gaustert /
durchs Wiruwaruwolz, /
die rote Fingur plaustert, /
und grausig gutzt der Golz.
Wie gehen Gedichte mit der zählenden, säbelnden, sichelnden Zeit um? Sind sie Beschwörungsformeln, letztlich zeitenthoben? Gelingt es ihnen, das Vergehen von Zeit unbedeutend werden zu lassen? Was bezwecken sie damit? Diesen und weiteren Fragen geht Joachim Sartorius in seiner Münchner Rede zur Poesie nach, anhand von Gedichten von Ezra Pound, Gottfried Benn, Inger Christensen, Emily Dickinson und anderen. Er kommt zu dem Schluss, dass ein Gedicht, das nicht antritt, der Zeit Fallen zu stellen, nicht wert ist, geschrieben zu werden. Sartorius, geb. 1946 in Fürth/Bayern, studierte Jura und Politische Wissenschaften. Er wählte eine Laufbahn als Diplomat und war unter anderem 2001-2011 Leiter der Berliner Festspiele. Im Lyrik Kabinett wird er vor allem als Dichter geschätzt – sein jüngster Band Für nichts und wieder alles erschien 2016 –, zudem als Herausgeber der maßstabsetzenden Anthologie Atlas der neuen Poesie (1995) oder Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert (2014) sowie als Übersetzer (J. Ashbery, W. Stevens, E.E. Cummings).
[…]
die Macht vergeht im Abschaum ihrer Tücken,
indes ein Vers der Völker Träume baut,
die sie der Niedrigkeit entrücken,
Unsterblichkeit im Worte und im Laut.
Gottfried Benn: aus "Verse", zunächst in: Zweiundzwanzig Gedichte (Privatdruck) 1943, später in: Statische Gedichte“ (Arche 1948).
Münchner Reden zur Poesie XVIII
Joachim Sartorius: Der Mensch fürchtet die Zeit. Die Zeit fürchtet das Gedicht
Moderation: Frieder von Ammon
Lyrik-Bibliothek
Amalienstraße 83a / Rückgebäude
80799 München
Eintritt: € 8 / erm. € 6
Mitglieder des Freundeskreises: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl