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Münchner Rede zur Poesie XIX Jakob Hessing: Auf der Grenze. Eine autobiographische Wanderung

In seiner Münchner Rede zur Poesie stellt sich Jakob Hessing die Gretchenfrage: „Wie hast du’s mit der Poesie?“ Bei dem Versuch, eine Antwort zu finden, blickt er zurück und erzählt von Gedichten und Texten der deutsch-jüdischen Tradition, die ihn durchs Leben begleitet haben und die ihn immer noch existentiell (be)treffen – auf der Grenze zwischen Berlin und Jerusalem, zwischen dem Deutschen und dem Hebräischen. Die autobiografische Suche führt Hessing aber auch an eine Grenze, die für ihn innerhalb der hebräischen Sprache verläuft: zwischen ihrer profanen und ihrer heiligen Dimension. Hessing, geb. 1944 in Lyssowce (Oberschlesien) als Sohn einer jüdischen Familie, wuchs in Berlin auf und wanderte als 20-Jähriger nach Israel aus. Ab 1992 lehrte er an der Hebräischen Universität Jerusalem und leitete ab 2004 bis zu seiner Emeritierung deren Germanistische Abteilung. Artikel von ihm erscheinen seit den 1990er Jahren regelmäßig in der FAZ und im Merkur. Seine Publikationen beschäftigen sich u.a. mit Else Lasker-Schüler, Sigmund Freud, Heinrich Heine, Franz Kafka, Paul Celan u.v.a. Frieder von Ammon lehrt Germanistik an der Universität Leipzig.

Mein Volk

Der Fels wird morsch,
Dem ich entspringe
Und meine Gotteslieder singe …
Jäh stürz ich vom Weg
Und riesele ganz in mir
Fernab, allein über Klagegestein
Dem Meer zu. 

Hab mich so abgeströmt
Von meines Blutes
Mostvergorenheit.
Und immer, immer noch der Widerhall
In mir,
Wenn schauerlich gen Ost
Das morsche Felsgebein
Mein Volk
Zu Gott schreit. 

Else Lasker-Schüler: Sämtliche Gedichte. Hg. von Karl Jürgen Skrodzki. Jüdischer Verlag 2004, S. 93.

Münchner Reden
zur Poesie XIX

Jakob Hessing:
Auf der Grenze.
Eine autobiographische Wanderung  

Moderation:
Frieder von Ammon

Mittwoch, den 09.05.2018
20:00 Uhr

Lyrik-Bibliothek
Amalienstraße 83a / Rückgebäude
80799 München

Eintritt: € 8 / erm. € 6

Mitglieder des Freundeskreises: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl