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Zwiesprache
Nico Bleutge über Inger Christensen

„Erste Begegnungen können magisch sein. Sie öffnen einen Raum voller Überraschungen. Ein Gefühl der Beglückung mag sich dann ausbreiten, als beträte man eine neue Welt, es kann aber auch der Eindruck einer Irritation entstehen. Als ich das Langgedicht alphabet von Inger Christensen zum ersten Mal las, durchlebte ich beide Bewegungen. Hier das Gefühl, in den endlos scheinenden Reihungen der Wörter fast unterzugehen, dort die Euphorie, einer Weltschöpfung beizuwohnen, die unsere gesamte Gegenwart umfasst, von der Aprikose bis zur Atombombe, von der Taube bis zum Tod. Von dieser zweifachen Begegnung möchte ich sprechen. Was es heißt, sich das Gedicht über das Hören zu erschließen. Was seine Struktur bedeutet, die äußerst streng ist und doch gerade so die größte Freiheit ermöglicht.“ So Nico Bleutge über die Dichterin, mit der er seine Zwiesprache führen wird. 1972 in München geboren, lebt Bleutge als freier Schriftsteller – vor allem von Lyrik und Opernlibretti – und als Literaturkritiker für zahlreiche Medien (u.a. SZ, NZZ) in Berlin. Für sein Schreiben wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Erich-Fried-, dem Eichendorff- sowie für seine literaturkritischen Texte mit dem Alfred-Kerr-Preis.

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den herbst gibt es; den nachgeschmack und das nachdenken
gibt es; und das insichgehn gibt es; die engel,
die witwen und den elch gibt es; die einzelheiten
gibt es, die erinnerung, das licht der erinnerung;
und das nachleuchten gibt es, die eiche und die ulme
gibt es, und den wacholderbusch, die gleichheit, die einsamkeit
gibt es, und die eiderente und die spinne gibt es,
und den essig gibt es, und die nachwelt, die nachwelt

Inger Christensen, aus: alfabet / alphabet // digte / gedichte. Aus dem Dänischen und mit einer Nachbemerkung von Hanns Grössel. Kleinheinrich ²1990, S. 17

Zwiesprachen

Nico Bleutge
über 
Inger Christensen

Dienstag, den 05.11.2019
20:00 Uhr

Lyrik Kabinett
Amalienstraße 83a
80799 München
(U3/U6 Haltestelle Universität)

Eintritt: € 8 / € 6
Mitglieder des Freundeskreises: freier Eintritt
Abendkasse, freie Platzwahl